Bioshock Infinite: (Alp)Traum über den Wolken



Mit den ersten Bioshock hat Irrational Games zu Beginn dieser Konsolengeneration Maßstäbe gesetzt. Was damals an spielerischer und erzählerischer Tiefe geboten wurde, sucht auch heute noch seinesgleichen. Aber bereits Teil 2, welcher von einem anderen Studio entwickelt wurde, konnte nicht an die Genialität des Erstlings anschließen. Nun meldet sich Irrational Games zurück. Ob es Ihnen gelungen ist nun auch zum Ende dieser Konsolengeneration Maßstäbe zu setzen und das Genre weiter nach vorne zu bringen, so wie sie es beim ersten Teil geschafft haben, möchte ich in den nächsten paar Zeilen darstellen.

Protagonist ist Booker DeWitt. Um seine Schulden auszugleichen soll er nach Columbia, einer Stadt über den Wolken, reisen und von dort ein Mädchen entführen und zu seinen Auftraggeber bringen. So wird er zu Beginn des Spieles von einem Pärchen zu einem Leuchtturm gebracht, von welchem aus die Reise beginnen soll. Bereits jetzt werden schon Erinnerungen an den ersten Teil wach, kam man doch auch über einen Leuchtturm nach Rapture. Schon in Columbia angekommen, wird schnell klar, dass die Bevölkerung größtenteils aus religiösen Fanatikern, angeführt von ihren selbsternannten Propheten Comstock, besteht und genauso treten die Abgründe hinter der glanzvollen Fassade der Stadt über den Wolken in der Vordergrund und der vermeidlich leichte Auftrag wird zum Höllentrip.

Mehr sei zur Story nicht verraten, weil jede noch so kleine Information schon einen Teil der grandiosen und komplexen Handlung verraten könnte. Und was für eine Geschichte Bioshock Infinite erzählt! Sie ist unvorhersehbar, vielschichtig, spannend und vor allem tiefgründig. So unter anderem Themen wie Religion, Rassismus und Schuld abgehandelt. Ich habe schon relativ oft gelesen, dass die Story zu wirr erzählt und zu Ende gebracht wird. Vor allem das Ende wird von manchen geliebt und von anderen wiederrum als zu konfus bewertet und gehasst. So viel sei verraten, das Ende schwirrt mir heute noch im Kopf herum und wenn ein Spiel es schafft, dass seine Geschichte und vor allem seine Ende zum Nachdenken anstoßen und nicht sofort wieder in Vergessenheit gerät, dann ist das dem Titel hoch anzurechnen. Ich jedenfalls habe den roten Faden der Geschichte nie verloren und das Ende ist für mich das beste Spielende, das ich bis jetzt je erlebt habe. Das gesamte Spiel ist erzählerisch  eine Wucht. Dies kommt vor allem durch die grandiose Symbiose von Booker und Elizabeth, das Mädchen das befreit werden soll, zustande. Die Beziehung der beiden ist keinesfalls eindeutig und bleibt bis zum Ende spannend.

Aber eine gut erzählte Geschichte macht noch kein gutes Spiel! Wie schön, dass es zudem noch unglaublich Spaß macht den Geheimnissen von Columbia auf die Schliche zu kommen. Im Grunde handelt es sich bei Bioshock Infinite um einen waschechten Ego-Shooter und dieser funktioniert einwandfrei. Die Waffenauswahl ist groß, auch wenn nur zwei Waffen auf einmal geführt werden können, was ich persönlich sehr gut finde. Denn seien wir mal ehrlich, wer schleppt acht Waffen mit sich rum? Außerdem kommt so etwas mehr Taktik in das Geschehen. Das Gunplay geht flüssig von der Hand, Eingaben werden Präzise umgesetzt und vor allem entsteht ein unglaublicher Spielfluss. Es fühlt sich einfach grandios an. Dieser Spielfluss kommt vor allem durch den Einsatz der Kräfte zustande, welche bereits in den anderen Bioshock spielen vorhanden waren, zustande. So kann Booker zum Beispiel seine Widersacher unter Strom setzen, Ihnen einen Schwarm tödlicher Krähen auf den Hals jagen und und und. Viel wichtiger und innovativer ist allerdings der Greifhaken, mit dessen Hilfe sich der Spieler an Schienen und Haken hängen kann und so schnell über das Schlachtfeld zu gleiten und sich von oben auf seine Gegner zu stürzen. Zunächst war ich skeptisch, ob dieses Feature tatsächlich so frei zugänglich sein wird, wie es immer dargestellt ist. Und ja das ist es. Die spielerischen Freiheiten sind enorm!

Bei vielen Spielen sind die Begleitpersonen eher nervig, weil sie meisten dazu neigen im Weg zu stehen, zu sterben oder einfach komplett nutzlos zu sein. Elizabeth ist anders. Sie kann so genannte Risse öffnen und so zum Beispiel Munitionskisten und Geschütztürme erscheinen lassen, welche in den Gefechten sehr hilfreich sind. Außerdem versorgt sie dem Spieler ab und zu mit Medi-Kits und Salzen, welche zum Aufladen der Kräfte notwendig sind. Dadurch eröffnen sich noch weitere spielerische Möglichkeiten und Elizabeth konnte mich so einige Male vor dem Tod bewahren. So wird nicht nur durch die Geschichte, sondern auch spielerisch eine starke Bindung zu Elizabeth aufgebaut.

Aber etwas in diesem Spiel stellt die tolle Handlung und das sehr gute Gameplay noch in den Schatten und zwar die Präsentation. Die ist schlichtweg atemberaubend. Alleine der Einstieg ist so vollgepackt atmosphärischen Details, dass es schwer ist alles auf einmal zu erfassen. Man wird einfach regelrecht sofort in das Geschehen und in diese unglaubliche Spielwelt gesaugt. An beinahe jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken oder die Möglichkeit einem interessanten Gespräch zu lauschen. Mit wie viel Liebe zum Detail, die Entwickler hier gearbeitet haben ist einfach genial. Ich fühlte mich immer wieder an Dishonored erinnert, was daran liegt, dass dieselbe Engine zum Einsatz kommt und auch das Art-Design sich ähnelt. Bereits Dishonored war ein atmosphärischen Brett, aber Bioshock Infinite setzt noch einmal gewaltig einen oben drauf. Und das hohe Niveau wird bis zum Ende durchgehalten. Da fallen auch die Schwächen der mittlerweile in Jahre gekommenen Engine kaum ins Gewicht. Ich konnte mich dadurch einfach nicht von diesem Spiel trennen und musste immer weiter machen. Schade ist nur das vom Spieler kaum Entscheidungen getroffen werden könne, welche sich auch tatsächlich auf das Ende oder die Spielwelt auswirken. Da war der zweite Teil mit seinen vielen verschiedenen Enden und Entscheidungen deutlich besser.

Von daher bleibt nur noch zu sagen, dass es Irrational Games tatsächlich geschafft hat, ein Spiel zu entwickeln, dass an die Genialität des Erstlings heranreicht und diesen spielerisch sogar noch übertrumpfen kann. Es ist eines der besten Spiele, wenn nicht sogar das beste, dass für diese Konsolengeneration erschienen ist und das nicht nur dank der grandiosen Geschichte und deren Präsentation. Es schafft zwar nicht den großen Sprung für die Videospielindustrie, wie es sein Vorgänger erreicht hat, aber es kann durchaus zeigen, zu was gut durchdachte Videospiele fähig sind und was für tolle Geschichten erzählt und was für grandiose Momente erzeugt werden können. Entwickler nehmt euch an Beispiel dran!

Pro:
- grandiose unvorhersehbare und komplexe Story mit noch besseren Ende
- unglaublich dichte Atmosphäre
- viel Liebe zum Detail
- tiefgründiges Verhältnis zwischen Booker und Elizabeth
- wunderschöne Schauplätze und tolles Design
- flexibles, einwandfrei funktionierendes Gameplay
- keine automatische Regeneration der Lebenspunkte („altmodische“ Medi-Kits)

Kon:
- weniger Entscheidungen als im Vorgänger (sehr wenige)
- kein wirklicher Einfluss der Entscheidungen zur Spielwelt
- nicht sehr viele verschiedene Gegnertypen
- teils matschige Texturen

Wertung: 9,5/10

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