Ex Machina: Was ist Menschlichkeit?




Mit Ex Machina liefert Alex Garland sein Regie-Debüt ab. Vorher hat er als Drehbuchautor seine Brötchen verdient. Darunter finden sich filmische Perlen wie 28 Days Later oder auch Sunshine. Beides Filme, die durchaus sehenswert sind. Auch sein neuestes Werk schien auf Anhieb vielversprechend, eine künstliche Intelligenz, ein von der Umwelt weitestgehend isolierter Schauplatz und die Frage nach dem Bewusstsein. Kann da eigentlich noch etwas schiefgehen? Finden wir es heraus.

Caleb ist Programmierer bei einem führenden IT-Unternehmen. Bei einem firmeninternen Gewinnspiel hat er das Glück den Hauptgewinn zu kassieren. So darf er seinen Chef Nathan in seinem abgelegen Domizil in den Bergen besuchen und eine Woche mit ihm verbringen. Schnell wird ihm aber klar, dass er nicht zum Urlaub da ist. Viel mehr stellt ihm Nathan sein neuesten Projekt vor. Dieses hat die Gestalt einer humanoiden künstlichen Intelligenz namens Ava. Calebs Aufgabe? Er soll bei Ava einen sogenannten Turing-Test durchführen. Dieser soll zeigen, ob Eva tatsächlich über ein Bewusstsein verfügt und daher als wahre künstliche Intelligenz angesehen werden kann. Plötzlich kommen Gefühle in Spiel und als Eva eine Warnung vor den wahren Motiven Nathans ausspricht, beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel der Superlative. Hat Eva wirklich ein Bewusstsein? Wie definiert man überhaupt Bewusstsein und Menschlichkeit? Was hat Nathan wirklich vor? Oder ganz einfach: Wer manipuliert hier wen?

Bevor ich weiter ins Detail gehe, hier erst einmal der Trailer zum genießen. Aber Achtung es wird meiner Meinung nach schon etwas zu viel verraten.


Betrachtet man den Ausgangspunkt der Story wird schnell klar, dass hier mehr als der übliche Science Fiction Krawall geboten wird. Viel mehr wird Ex Machina erstaunlich tiefgründig und erfrischend anspruchsvoll. Dabei erzählt der Plot gar keine ausschweifende Geschichte, sondern fixiert sich voll auf die Interaktionen der Protagonisten. So wird Ex Machina zum Kammerspiel in dem es um das Ausspielen von Machtverhältnissen und der stetigen Frage des Vertrauens geht. Zu keinem Zeitpunkt ist hier klar, wer welche Ziele verfolgt. Da ist auf der einen Seite das Alpha-Männchen Nathan, der ultra-intelligent und sehr charismatisch daherkommt, aber genauso unberechenbar und impulsiv ist. Auf der anderen Seite steht die zuckersüße und kindlich-naive Ava, die scheinbar erst die Welt um sie herum erlernen muss. Doch zeigt sie auch immer wieder die kühle, berechnende Art und Weise einer Maschine, die ganz eigene Ziele verfolgt. Zwischen diesen beiden Lagern steht Caleb, der gewissermaßen den Zuschauer repräsentiert, da er herausfinden muss, wem er trauen kann und wem nicht und stets im Ungewissen ist, genau wie die Zuschauer. Großartig!

Solch ein Film lebt natürlich von seinen Darstellern. Da möchte ich vor allem Oscar Isaac hier vor allen anderen loben. Was der Mann hier in der Rolle des Nathan auf die Leinwand bringt, ist einfach Weltklasse. Er hat es sofort geschafft mich in seinen Bann zu ziehen und die Ambivalenz seinen Charakters glaubhaft und greifbar darzustellen. Das Ganze dann noch gewürzt mit einer gesunden Brise Humor und Selbstironie und dieser Nathan wird zu einem der besten Figuren, die ich in den letzten Jahren auf der Leinwand betrachten durften. Aber auch Alicia Vikanders Leistung in der Rolle von Ava braucht sich keinesfalls zu verstecken. Sie schafft es die perfekte Mischung aus berechnender, künstlicher Intelligenz, scheuen, weiblichen Reizen und kindlicher Neugier in ihrer Figur zu vereinen. Man kauft ihr den schlauen Roboter sofort ab, ohne dass sie dabei zu menschlich wirkt. Super! Einzig Domhnall Gleeson als Caleb fällt da im direkten Vergleich etwas schwach aus, was aber eher an seiner Rolle liegt. Auch die vierte Figur gespielt von Sonoya Mizuno spielt nur eine untergeordnete Rolle, deren Funktion aber leider etwas zu vorhersehbar ist.

Ein weiteres Glanzlicht von Ex Machina ist die technische und filmische Umsetzung. Nathans Haus mit seinen harten Beton- und Glaswänden und engen Räumen sorgt für eine klaustrophobische und beklemmende Atmosphäre. Auch Avas Design ist an dieser Stelle besonders hervorzuheben. Es schafft auch hier den perfekten Spagat zwischen Mensch und Maschine und ist in meinen Augen das beste KI-Design bisher. Ich konnte mich an ihr einfach nicht satt sehen… Hinzu kommt eine fantastische Kameraarbeit und ein Soundtrack der angenehm zurückhaltend immer genau zum richtigen Moment richtig loslegt und immer zum Geschehen passt. Die Inszenierung  unterstreicht die minimalistische Geschichte und das abgeschiedene Gefühl des Films auf perfekte Art und Weise. Auch die immer wieder eingestreuten Naturaufnahmen sehen einfach wunderschön aus.

Ihr seht also Ex Machina hat tatsächlich Eindruck hinterlassen. Wenn es etwas auszusetzen gibt, dann dass das Ende nicht ganz meine Erwartungen erfüllt hat. Es ist bei Weitem kein schlechtes Ende, aber als Zuschauer malt man sich sonst etwas aus, das zwar im Film sogar angesprochen wird, aber in einer Sackgasse endet. Als ob Herr Garland gewusst hat, was der Zuschauer erwartet und ihm dann zu zeigen: „Nö! So ist es nicht!“. Das ist etwas frech, aber auch clever zu gleich. Trotzdem hätte am Ende mehr drinstecken können.

An dieser Stelle wie immer die Filmkritik in bewegten Bildern und mit Ton:


Insgesamt bleibt aber nur zu sagen, Ex Machina ist nicht nur ein großartiges Regie-Debüt, sondern einer der besten Filme des Jahres. Der tiefgründige Ansatz wird durch die grandiosen schauspielerischen Leistungen und den fantastischen Look perfekt umgesetzt und unterhaltsam auf die Leinwand gezaubert. Eine gesunde Brise Humor lockert das Geschehen immer wieder gekonnt auf. Nur gegen Ende schwächelt der Film in meinen Augen ein klein wenig. Trotzdem, unbedingt anschauen!

Pro:

+ tiefgründige Story

+ ständig wechselnde Macht- und Sympathieverhältnisse

+ großartige schauspielerische Leistungen (besonders Oscar Isaac)

+ packende Atmosphäre dank toller Kulisse

+ bestes KI-Design bisher

+ passender Soundtrack

Kontra:

- Domhnall Gleeson fällt etwas blass aus

- Rolle des vierten Charakters zu vorhersehbar

- Ende wird meinen Erwartungen nicht gerecht

Wertung: 9/10



Die wenigen Kritikpunkte hindern mich Ex Machina zum Meisterwerk zu erklären. Trotzdem ist der Film für mich eine riesige Überraschung und bisher mein filmisches Highlight 2015!

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