Storytelling in Videospielen: Sind wir in einer Sackgasse angelangt?


Auf 4Players habe ich gerade einen Bericht über Warren Spector gelesen, der sich kritisch über die Art und Weise wie Geschichten in Videospielen erzählt werden, geäußert hat. Seiner Meinung nach nutzen Videosiele heutzutage das Medium nicht richtig aus, um den Spieler eine einzigartige Geschichte zu erzählen. Er differenziert aber sehr gut, indem er sagt, dass durchaus gute Geschichten erzählt werden, die aber dem Genre nicht genügen. Hat er Recht? Finden wir es heraus!

Geführte Erzählung à la Uncharted oder Resident Evil


Spector nennt vor allem Uncharted als Beispiel für ein „Exemplar mit niedriger Ausdruckskraft“. Das soll aber nicht heißen, dass die Storys schlecht sind. Sie sind aber von vorne bis hinten durchgeskripted und lotsen den Spieler damit von Highlight zu Highlight, ohne dass der Spieler einen Einfluss hat. Mit dieser Aussage hat er nicht Unrecht. Wobei die Storys in Uncharted oder Resident Evil nicht gerade zu den Paradebeispielen gehören. Aber auch ein The Last Of Us, dass vor allem für seine emotionale Geschichte gelobt wird, gehört demnach in diese Kategorie. Ihr werdet vom Spiel durch die Geschichte geleitet, habt keinen Einfluss auf die Story oder sogar die Spielwelt. Laut Spector also ein Spiel mit „niedriger Ausdruckskraft“. Wobei „Ausdruckskraft“ unvorteilhaft gewählt ist. Mir gefällt dieser geführte Ansatz, wenn sich die Story lohnt. Bei The Last Of Us hatte ich nie das Bedürfnis bestimmte Ereignisse zu beeinflussen oder die Welt zu verändern. Alles wirkte wie aus einem Guss, durchdacht und wurde wunderbar präsentiert.

Vorgetäuschte Freiheit


Die zweite Gruppe von Spielen nennt Spector „Exemplare mit mittlerer Ausdruckskraft“. Dazu zählt er unter anderem die Telltale-Spiele wie The Walking Dead oder auch Heavy Rain. Diese bieten den Spieler durch mögliche Entscheidungen, die den Spielverlauf, Interaktionen mit anderen Charakteren oder sogar die Spielwelt beeinflussen können. Somit wird der Spieler, anders als bei den „Exemplaren niedriger Ausdruckskraft“, direkt in die Erzählung mit eingebunden. Er kritisiert aber wiederum, dass die Entscheidungen auch wieder vorgegeben sind und letztendlich auch wieder nur auf vorgegebenen Pfaden enden. Ihr trefft also Entscheidungen, die vom Entwickler vorgegeben sind. Auch an diesen Punkt muss ich ihm zustimmen. In all diesen interaktiven Filmen kam es immer wieder zu Situationen, in denen ich persönlich komplett anders entschieden hätte. Es stand mir aber einfach nicht zur Auswahl. Oftmals sind die Entscheidungsfreiheiten eben nicht so frei, wie wir sie gerne hätten. Im schlimmsten Fall spielen sie gar keine große Rolle. Warum muss der Hauptcharakter am Ende von Staffel 1 von The Walking Dead sterben? Weil die Entwickler es so wollten. Einen Einfluss hat der Spieler hier nicht!

Ihr Ernst Herr Spector?


Als letztes beschreibt Spector „Exemplare mit hoher Ausdruckskraft“. Das sind also Spiele, die den Spieler direkt Einfluss auf jeden Aspekt der Handlung geben. Ihn frei agieren lassen und ihm keine erzählerischen Fesseln aufbinden. Als Beispiele nennt er Fallout, Die Sims, Deus Ex: Human Revolution und Dishonored. Und genau bei den letzten beiden Titeln schießt er den Vogel ab. Dieses Deus Ex soll dem Spieler alle Freiheiten lassen? Dieses Deus Ex, dass am Ende nur aus einem „Drücke Knopf 1, 2 oder 3 besteht? Oder ein Dishonored, welches dem Spieler zwangsläufig dieselben Attentatsziele vor die Nase setzt und immer auf den gleichen Plottwist hinausläuft? Nun Herr Spector, da haben Sie ordentlich danebengegriffen! Aber wie steht es um Die Sims? Hat dieses Spiel eigentlich eine Story? Nicht wirklich! Die Sims ist für mich ein reines Sandbox-Spiel, ähnlich wie Minecraft. Ja der Spieler kann extrem in die Spielwelt eingreifen, aber von Storytelling kann hier nicht die Rede sein. Bleibt noch Fallout 4. Hier kommen wir der Sache wohl sehr nahe, aber perfekt ist es auch nicht. Wir als Spieler können entscheiden, wie wir mit anderen Figuren interagieren, die Geschichte in manchen Punkten maßgeblich beeinflussen. Wir können die Reihenfolge der Aufgabe, die wir angehen wollen, selbst wählen, aber die Aufgaben wirklich verändern, können wir nicht. Auch hier stößt die Story und die Welt eines Fallout an ihre Grenzen.

Sandbox und Open-World als Allheilmittel


Wenn man die Aussagen des Herr Spector genauer betrachtet, komme ich jedenfalls zu folgendem Schluss, wir brauchen Sandbox und Open-World Spiele, um Storys zu erzählen, die einem Videospiel gerecht werden. Fakt ist, dass eine offene Spielwelt mehr Möglichkeiten bietet, den Spieler einfach mal machen zu lassen. Am besten darf er hier und da noch etwas an der Spielwelt verändern, also ein paar Sandbox-Elemente und schon haben wir das Videospiel-Geschichten-Mekka? Ich finde nein. Oftmals geht Open World Spielen vor allem in puncto Erzählung völlig die Luft aus. Die Geschichten wirken zu unfokussiert, verlaufen meisten im Sand (passt ja irgendwie zur Sandbox) ohne wirkliche Höhepunkte zu setzen. Das soll ausgerechnet für Videospiele besonders toll sein? Es kann funktionieren. The Witcher 3 ist da für mich ein gutes Beispiel. Überall warten große und kleine Geschichten. Ich kann als Spieler Entscheidungen treffen, die auch wieder vorgegeben sind und damit die Spielwelt beeinflussen. Den eigentlichen Ablauf der Geschichte ändere ich aber nicht. Der einzige Punkte in denen sich das Storytelling einen Witcher, GTA oder Fallout von dem eines The Last Of Us unterscheidet ist, dass ihr zwischendurch immer wieder Platz und Zeit habt Seitenpfade einzuschlagen. Diese Enden aber in Sackgassen oder führen in Schleifen zurück zum vorgegebenen Hauptpfad.

Gameplay vs. Storytelling oder Gameplay als Ausdrucksmittel


Jetzt habe ich so viel über Geschichten geschrieben, dass man beinahe den Hauptgrund warum wir Videospiele spielen aus den Augen verliert, das Gameplay. Die beste, emotionalste und fesselndste Geschichte macht aus einem schlechten Spiel kein gutes. Der Spaß liegt beim Spielen immer noch an erster Stelle. Jedenfalls ist das bei mir der Fall. Da stört es mich nicht durch enge Korridore voller festgelegter Ereignisse zu rennen, wenn es einfach eine riesen Gaudi ist. Anders wiederum gefallen mir zwar die Erzählungen eines The Walking Dead oder Heavy Rain, aber spielerisch lassen diese Titel einfach zu viel liegen. Kann aber vielleicht das Gameplay zum Ausdrucksmittel werden? Spector nenn Dishonored mit Sicherheit aufgrund der spielerischen Freiheiten. Ihr als Spieler erschafft entweder einen vorsichtigen, schleichenden oder einen aggressiven,  brutalen Corvo. Das hat keinen direkten Einfluss auf die Story, aber einen Einfluss darauf wie ihr die Figur wahrnehmt, wie ihr euch mit ihr identifiziert. Aber hat wenn genau diese Figur in einer Zwischensequenz dann wieder etwas tut, dass eurem Vorgehen widerspricht, ist die Illusion dahin. Zählt das überhaupt zu Storytelling. Ist weiß es nicht!

Fazit

Ihr seht also, dass die Frage gar nicht so leicht beantwortet werden kann. Linear erzählte Storys nutzen wirklich nicht das Potential Videospiel voll aus. Interaktive Filme lassen und nur zwischen festgelegten Pfaden wählen und Open-World oder Sandbox-Titel erzählen gar keine Geschichte oder reichern die festgelegte Hauptstory nur mit zusätzlichen (festgelegten) Nebengeschichten an. Mir fällt wenn ich ehrlich bin auch kein Titel ein, der den Anforderungen des lieben Herrn Spector gerecht wird. Was ich von seinen genannten Beispielen halte, habe ich schon erwähnt. Was ist eure Ansicht?

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