Untote sind weiterhin extrem
populär. Leider beschränkt sich das nur auf eine Gattung, den Zombies. In
Vampyr bekommen endlich die namensgebenden Vampire eine Bühne geboten. Wenn ich
so überlege, wann ich das letzte Mal einen Vampir gespielt habe, muss ich schon
extrem weit zurückgehen. Umso ansprechender fand ich das düstere Setting, das
anfangs sehr an Bloodborne erinnert. Ein entsprechendes Spiel hatte ich
erwartet und wurde umso mehr überrascht als ich Vampyr dann endlich gespielt
habe. Aber lest weiter!
Dr. Acula
Ihr schlüpft in die Haut des Dr.
Jonathan Reid, der ironischerweise Blutspezialist ist und nun aus dem ersten
Weltkrieg nach London zurückkehrt. Dort wütet die spanische Grippe und er macht
es sich zur Aufgabe zu helfen. Dass seine Bemühungen nicht sehr erfolgreich
gewesen sein können, erfahrt direkt zu Beginn des Spiels, als ihr aus einem Massengrab
klettert. Getrieben von einem seltsamen Blutdurst begeht ihr einen furchtbaren
Fehler und bald schon müsst ihr feststellen, dass ihr nicht länger unter den
Lebenden weilt. Ihr seid ein waschechter Vampir. Und so gilt es herauszufinden
was wirklich hinter der Seuche steckt und wem ihr euren neuen Zustand zu
verdanken habt!
Schon die Story hat mich positiv
überrascht. Ich hatte ein einfaches Vampir-Märchen erwartet und bekam eine Geschichte
rund um Schuld, Familie, politische Intrigen und ja auch der Märchenpunkt wurde
bedient. Wenn man der Erzählung etwas vorwerfen will, dann nur dass sie extrem
hölzern präsentiert wird und vor allem gegen Ende recht gehetzt wirkt.
Ansonsten konnte mich die Erzählung dank der vielen interessanten Charaktere,
den meistens überraschenden Wendungen und dank einiger moralischer Dilemmas
echt überzeugen.
Dabei muss ich auch anmerken,
dass mir unser Protagonist sehr gut gefallen hat. Vor allem der ärztliche
Hintergrund verleiht unserem Blutsauger eine analytische Tiefe und Intelligenz,
die mich sehr angesprochen hat. Auch dass ihr die Handlung aktiv durch gewisse
Entscheidungen beeinflussen könnt, hätte ich so nicht erwartet.
Mehr RPG als gedacht
Die wohl größte Überraschung
bietet aber das Gameplay. Das ist bedeutend weniger actionbasiert als ich
erwartet hatte.
Ihr verbringt tatsächlich sehr
viel Zeit in Gesprächen. In den verschiedenen Bezirken Londons trefft ihr auf
überraschend viele verschiedene Charaktere, die allesamt eigene
Hintergrundgeschichten und Probleme haben. Durch die vielen Dialoge lernt ihr
die Personen besser kennen und deckt nach und nach ihre Geheimnisse auf und
erhaltet Nebenquests. Aber auch der ärztliche Hintergrund spielt eine Rolle. So
werden die Personen im Spiel auch regelmäßig krank und solltet ihr sie nicht
hin und wieder mit den passenden Gegenmitteln versorgen, riskiert ihr deren
vorzeitiges Ableben.
Warum aber sollte man das tun?
Erstens, weil die Charaktere tatsächlich sehr gut ausgearbeitet sind und es mir
sehr viel Spaß gemacht hat, die virtuellen Personen besser kennenzulernen. Auf
der anderen Seite, weil diese NPCs auch als EP-Kanister herhalten. Je mehr ihr
über die NPCs erfahrt, umso reichhaltiger wird ihr Blut. Entscheidet ihr euch
einen Charakter auszusaugen, erhaltet ihr eine große Menge Erfahrungspunkte,
die in diverse aktive und passive Fähigkeiten investiert werden können.
Und da sind wir beim nächsten System,
das ich in diesem Ausmaß nicht erwartet hätte. Ihr könnt euren Jonathan Reid
recht ausführlich an den eigenen Spielstil anpassen. So gibt es Fähigkeiten für
den Nahkampf, zum Schleichen und für Schaden über Zeit.
Was ich aber besonders gelungen
finde, ist die Tatsache, dass ihr ohne das Aussagen eurer liebgewonnenen NPCs
permanent underleveled seid. Und so steht ihr vor einem Dilemma. Töte ich einen
der NPCs, um für den nächsten Kampf ausreichend gewappnet zu sein. Oder
versuche ich alle NPCs am Leben zu halten, nehme aber bedeutend schwerere
Kämpfe in Kauf? Ich habe mich für den zweiten Weg entschieden und empfand den
Schwierigkeitsgrad daher als recht knackig.
Um den ganzen RPG Part
abzurunden, sammelt ihr auch noch reichlich Material um nach und nach eure
Haupt- und Nebenhandwaffen aufzurüsten.
So viel Rollenspiel hatte ich
nicht erwartet!
Kein Souls!
Beim Kampfsystem merkt man allerdings
zum ersten Mal, dass man keinen AAA-Titel spielt. So orientiert man sich an dem
ausdauerbasierten System der Dark Souls-Spiele. Wer einfach nur stur auf Feinde
draufhaut, kommt nicht weit. So müsst ihr gekonnt ausweichen, Feinden in den
Rücken fallen und gezielt zuschlagen.
Das funktioniert bloß nicht so
smooth wie im großen Vorbild. Insgesamt wirken die Kämpfe und deren Animation
recht abgehackt und hölzern. Von der Qualität eines Bloodborne ist man
meilenweit entfernt.
Dass das Kampfsystem trotzdem
Spaß macht, liegt an den aktiven Fähigkeiten. Denn anders als in Bloodborne,
dürft ihr euch auf gar keinen Fall nur auf eure Nahkampfwaffe verlassen. Damit
verursacht ihr viel zu wenig Schaden. Und so müsst ihr immer wieder eure
aktiven Fähigen, wie besonders starke Nahkampfangriffe, oder paralysierende
Fähigkeiten zurückgreifen. Um diese Nutzen zu können, müsst ihr eure Gegner
regelmäßig um ein paar Tropfen But erleichtern, wodurch eine taktische
Komponente hinzukommt.
Hundertprozentig überzeugen
können die Kämpfe zwar nicht, aber im Endeffekt haben sie mich auch nie gestört
oder gar gelangweilt. Erwartet nur nicht zu viel!
Sound top, Inszenierung flop
Das fehlende Budget merkt man
leider auch der Inszenierung und der Technik an. Vor allem die Inszenierung
leidet merklich darunter.
Wie bereits erwähnt, verbringt
ihr sehr viel Zeit in Dialogen. Diese sind zwar sehr gut vertont, dafür aber
unter aller Sau inszeniert. Minutenlang stehen sich Dr. Reid und sein Gesprächspartner
enfach nur gegenüber. Viel zu selten werden die Gespräche durch Bewegungen,
Kamerawechsel oder sonstiges aufgelockert. Dadurch geht leider sehr viel Charme
verloren und auf Dauer ziehen sich die Dialoge dann doch extrem in die Länge.
Das fällt vor allem dann auf,
wenn die Inszenierung doch einmal eine Schippe oben drauflegt und kurze
Zwischensequenzen spendiert. Sofort wird die Handlung greifbarer und
interessanter. Leider schafft man das viel zu selten.
Was man allerdings immer schafft,
ist eine hervorragende Geräuschkulisse aufzubauen. Der melancholische und teils
echt schaurige Soundtrack gehört zu den Besten, die ich in letzter Zeit gehört
habe. Hier gibt es von mir nur Bestnoten.
Keine Bestnoten bekommt die
allgemeine Technik. So wirkt die Spielwelt recht leer, Charaktermodelle zu wachsfigurenmäßig
und Ladezeiten sind viel zu lang und zu häufig. Vampyr ist eben kein AAA-Spiel
und bei der Technik fällt das auf. Zum Glück kann Dontnod diesen Makel durch
gelungenes Design kaschieren. Ich mochte die dunklen Straßenzüge Londons und
habe die technischen Makel zwar bemerkt, aber nie als störend befunden.
Hier könnt ihr euch ein Video anschauen:
Hier könnt ihr euch ein Video anschauen:
Fazit
Ich merke schon beim Schreiben
des Skripts, das ich erstaunlich viel zu Vampyr zu sagen habe. Das ist diesem
Fall ein gutes Zeichen, denn Vampyr hat mich überaus positiv überrascht. Ich mag
das Setting, die Story ist sehr gut und die Rollenspielaspekte durchdacht. Dazu
kommen ein großartiger Soundtrack, spaßige Spielsysteme und ein durchdachtes
Design. Ab und zu merkt man dem Spiel zwar an, dass man hier kein endlos großes
Budget zur Verfügung hatte, aber auch das versprüht einen gewissen Charme.
Vampyr ist für mich ein wahrer Rohdiamant. Es fehlt zwar der Feinschliff, aber
wenn man darüber hinwegsehen kann, bekommt man ein tiefes, spaßiges und
überraschend gutes Action-Rollenspiel.
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