Far Cry 3: Urlaub im Paradies



Schaut man aus dem Fenster, so sieht man heutzutage nichts als graue Wolken und Bäume, die Anfang Mai immer noch keine Blätter tragen. Sonnenstrahlen und eine grüne, üppige Vegetation sucht man leider immer noch vergebens. Zum Glück hat der Spieler die Möglichkeit in bessere, wenn auch nur virtuelle, Klimazonen zu reisen. Mit Far Cry 3 erwartet dem Spieler nicht nur ein sonniges Tropenparadies, sondern auch ein im wahrsten Sinne des Wortes wahnsinnig unterhaltenes Abenteuer.

Es hätte alles so schön werden können für Jason und seine Freunde, die mit der scheinbar gut gedeckten Kreditkarte ihres Vaters die tropischen Gefilde im indischen Ozean unsicher machen. Partys, Strand, hübsche Mädels und jede Menge Spaß. Nach einem Fallschirmsprung über einer ihnen nicht bekannten Insel wird aus dem spaßigen Trip schnell der nackte Kampf ums Überleben. Denn sie springen direkt in die Hände des frühen Antagonisten Vaas. Dieser führt eine Gruppe von Piraten an, die sich darauf spezialisiert haben, reiche Touristen abzufangen und sie für viel Geld wieder freikaufen zu lassen, bzw. sie an den Höchstbietenden weiterreichen. So wird Jason nach seiner Flucht aus dem Gefangenenlager der Piraten, bei der sein Bruder erschossen wird, von Einheimischen aufgenommen und ausgebildet. Er beginnt seine Jagd auf Vaas und versucht seine Freunde zu retten.

Die Story bietet somit eine solide Grundlage, die motiviert immer weiter zu spielen. Aber was wirklich antreibend ist, ist nicht etwa die wunderschöne Spielwelt oder das solide Gameplay, sondern der unglaublich sympathische und sehr gut gespielte Bösewicht Vaas. Schon in der ersten Minuten des Spieles, als er mich noch in einem Käfig gefangen hält und Vaas einen seiner leider viel zu seltenen Auftritte hat, bin ich begeistert von diesem Mistkerl. So eine ausgezeichnete Charakterdarstellung eines Gegenspielers habe ich in einem Spiel bis dahin noch nicht gesehen. Meistens ist der  große Gegner in diesem Genre nur irgendein beliebiger von Macht besessener General oder Drogenbaron, etc. Vaas dagegen ist durch seinen total geilen Wahnsinn von der ersten Sekunde an sympathisch. Wenn er zum Beispiel darüber sinniert was denn Wahnsinn überhaupt ist und dabei auf dem Punkt kommt, Wahnsinn ist, wenn man alles immer und immer wieder durchlebt und er dann am Ende wieder von vorne beginnt, ist das nicht nur unterschwellig komisch, sondern passt einfach perfekt zu seinem Charakter. Die herausragende Leistung des Sprechers unterstützt diesen Punkt noch mehr. Auch Jason ist anfangs ein interessanter Charakter, dessen Potential allerdings viel zu schnell verloren geht. Er ist kein durchtrainierter, bis an die Zähne bewaffneter Soldat. Und so hört man ihn anfangs jammern und rumheulen. Klingt zwar nervig, ist für mich aber viel glaubwürdiger als wenn man ihn direkt mit einer AK47 in der Hand auf Piratenjagd geschickt hätte. Wie auch beim neuen Tomb Raider kommt es aber schnell zu Problemen. So dauert es nur ungefähr eine Stunde, bis aus dem weichlichen, verwöhnten Schönling ein in Massen mordendes Monster wird. Diese Entwicklung ist zwar gewollt und wird auch durch die Dialoge und die Story unterstützt, aber sie geht viel zu schnell von statten. Aber es ist dem Titel anzurechnen, dass es immerhin versucht so eine Entwicklung darzustellen. So ist Jason total schockiert als er den ersten Gegner aus Notwehr erstechen muss und einige Stunden später meint er zu einer geretteten Freundin „Früher war es schrecklich jemanden zu töten, jetzt fühlt es sich wie Gewinnen an.“ Sehr, sehr schön! So werden gleichzeitig auch wieder Parallelen zu Vaas gezogen und man ertappt sich auch selbst als Spieler dabei, zu überlegen, wer hier das wahre Monster ist. Diese Fokussierung hat allerdings den Nachteil, dass andere Charaktere daneben extrem blass erscheinen. Dabei sind sie im Vergleich zu anderen Titeln nicht einmal schlecht dargestellt, aber im Vergleich zur eigenen Konkurrenz hängen sie ganz klar hinterher. Und leider merkt man diesen Punkt dem Spiel in der zweiten Hälfte auch schmerzlich an. Denn Vaas bleibt nicht der einzige Gegner. Und nachdem Vaas nach etwas mehr als der halben Spielzeit aus dem Weg geschafft ist, verliert die Story an Schwung, da der neue Bösewicht einfach nicht mehr so gut motivieren kann. Ich hätte mir gewünscht, dass Vaas ersten mehr Auftritte bekommt und zweitens auch bis zum Ende erhalten bleibt.

Neben der soliden Story und teilweise grandios dargestellten Spielfiguren bietet Far Cry aber auch spielerisch einiges. Auf der Insel gibt es neben den Story Missionen einiges zu erledigen. Ob Jason nun Rennen fährt, Jagen geht oder Piratenbasen übernimmt, das Spiel weiß seine Welt mit Leben und Aufgaben zu füllen. Viel besser als noch Far Cry 2, das zwar eine schöne und große Spielwelt bot, die aber nicht mit Inhalten gefüllt war. Das Gameplay ist wirklich gut gelungen. Die Waffenauswahl ist ausreichend groß und variabel. Durch die offene Welt bieten sich oftmals mehrere Herangehensweisen. So kann der Spieler wie Rambo einfach hineinstürmen und alles über den Haufens schießen oder doch lieber schleichend und aus dem Hinterhalt agierend vorrankommen. Durch besiegte Gegner und abgeschlossene Missionen erhält Jason Erfahrungspunkte, die in neue Fähigkeiten, wie zum Beispiel das lautlose Ausschalten von Gegnern, investiert werden können. Ein weiterer Pluspunkt ist das teilweise einfallsreiche Missionsdesign. Besonders eine Mission ist mir im Gedächtnis geblieben. Ich werde beauftragt die Drogenfelder der Piraten zu verbrennen. Kaum habe ich angefangen, fängt „Make it Bun Dem“ von Skrillex an durch die Lautsprecher zu donnern, um mich herum fliegen die Kugeln durch die Luft, alles brennt und explodiert und dann noch dieser Song dazu. HERRLICH!! So überdreht und unglaublich geil inszeniert sich sonst noch keiner. Dieser Höhepunkt wird zwar später nicht mehr erreicht, aber die Qualität der Hauptmissionen bleibt hoch. Vor allem durch die Thematik des Drogenmissbrauchs, welcher später noch hinzukommt, ermöglicht es sich Ubisoft, total abgedrehte Missionen in ihr Spiel einzubauen.  Leider trifft das nicht so ganz auf die Nebenmissionen zu. Aber das war für mich zu verkraften. Aber auch hier hängt die zweite Spielhälfte der ersten hinterher, da nichts neues mehr geboten wird. Far Cry feuert alles zu Beginn ab und schafft es zwar ein hohes Niveau zu halten. Kann sich aber nicht mehr steigern. So wird es dann doch etwas ermüdend mit der immer gleichen Taktik die Piratenbasen einzunehmen und Jagd verliert auch an Reiz, da die erworbenen Materialen, welche zur Herstellung von größeren Taschen, usw. benötigt werden, dann nutzlos sind, da man bereits alles hergestellt hat.

Eben diese der ersten Hälfte hinterherhinkende zweite Teil des Spieles setzt sich auch bei der grafischen Umsetzen fort. Was Ubisoft da auf der, ja wir müssen ehrlich sein, leicht veralteten Konsolengeneration für Panoramen darstellt ist unglaublich und bestätigt meine Meinung zu Konsolenspielen. Auf einem über fünf Jahre alten System kann so eine grandiose Grafik dargestellt werden. Jeder zwei Jahre alte PC währe da in die Knie gegangen. Es geht doch! Also bitte ihr Spielehersteller. Konzentriert euch auf die Performance-Optimierung! Ich spiele keine Spiele mehr auf dem PC, weil es mir zu doof ist, jedes Jahr nachrüsten zu müssen! Aber genug in eigener Sache und zurück zum Spiel. Die Vegetation ist unglaublich dicht und die Lichtverhältnisse sehr gut. So werfen die Palmen schöne Schatten und die Strahlen kämpfen sich durch das Dickicht. Das türkis-blaue Waser glitzert in der Sonne und weckt Urlaubsgefühle. Tiere und Menschen sehen echt sehr gut aus und Animationen sind flüssig und glaubhaft. Sicher gibt es einige nicht ganz so hochauflösende Texturen, aber das Gesamtbild ist atemberaubend. Leider geht es in der zweiten Spielhälfte auf eine weitere Insel, die nicht mehr ganz so viel Schönheit zu bieten hat. Ist die erste Insel mit einem dichten Urwald bedeckt, so zeichnet sich die zweite durch eine bergige Landschaft aus. Die sieht auf keinen Fall schlecht aus. Bietet aber einfach nicht mehr so viel fürs Auge wie der erste.

Far Cry 3 zählt neben Bioshock Infinite zu den besten Shootern, die ich bis jetzt gespielt habe. Vor allem Vaas lässt dem Spieler durch seinen Wahnsinn immer wieder schmunzeln. Auch das mehr als solide Gameplay und die unglaublich schöne Grafik tragen dazu bei, dass Far Cry 3 definitiv zu den besten Titeln dieser Konsolengeneration gehört. Ich habe das Spiel mittlerweile zwei Mal durchgespielt und bin auch nach Abschluss der Story immer wieder zurück auf die Insel um einfach einmal noch eine der offenen Nebenmissionen zu erledigen oder um einfach etwas durch den Dschnungel zu streifen. Lediglich die etwas vernachlässigten Nebenfiguren und die schwächere zweite Spielhälfte  trüben das Gesamtbild. Aber ich kann ohne Gewissensbisse für jeden eine uneingeschränkte Kaufempfehlung aussprechen.

Pro:
- Vaas ist wahnsinnig, wahnsinnig gut konstruiert und gespielt
- solide Story
- schönes Inselparadies, das durch die grandiose Grafik zum Leben erweckt wird
- offenes Gameplay
- abseits der Hauptmissionen gibt es viel zu tun
- actiongeladenes und erfrischendes Missionsdesign
- guter Soundtrack

Kontra:
- im Kontrast zur grandiosen ersten Hälfte hinterher hängender zweiter Teil
- Nebenfiguren im Vergleich eher blass
- Potential von Jason nicht optimal ausgenutzt, Wandel zu schnell
- Jagd nach einigen Spielstunden nicht mehr notwendig (aber trotzdem unterhaltsam)
- Piratenbasen können mit der immer gleichen Taktik problemlos eingenommen werden

Wertung: 9/10

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