Thief: Es lebe die Kleptomanie


Wer meinen Blog schon etwas länger verfolgt, wird wissen, dass vor allem gute Stealth-Games bei mir immer sehr erwünscht sind. So ist es nicht verwunderlich, dass Thief zu meinen ersten PS4 Spielen gehört hat. Ob das Reboot der alten Diebes-Serie an die alte Klasse heranreicht oder diese sogar übertrifft erfahrt ihr, wenn ihr weiterlest.

In Thief schlüpft ihr in die Rolle des alten Kleptomanen Garrett. Dieser begibt sich zusammen mit seiner, ich vermute mal früheren Schülerin Erin, auf einen neuen Diebes-Streifzug. Doch geht dabei leider einiges schief. Kurz bevor Erin in den scheinbaren Tod stürzt, beobachten die zwei wie ein paar vermummte Gestalten ein seltsames Ritual aufführen. Auch an Garrett geht das Ritual nicht spurlos vorbei. Er wird von einem seltsamen Wirbel erfasst und wacht einige Zeit später ohne jegliche Erinnerungen und einigen neuen Fähigkeiten wieder auf. Die Anwohner der Stadt werden nicht nur vom herrischen Baron Northcrest, sondern auch der Schwermut, einer Krankheit gequält. Nun ist es an Garrett diese Mysterien aufzulösen und nebenbei alles einzusacken, was nicht festgeklebt ist.

Die Story ist dabei die größte Schwäche des Spiels. Zwar bieten die Schwermut, das seltsame Ritual und die damit verbundene Urkraft, Erins Schicksal und der allgegenwärtige Klassenkampf genug Grundlage um eine interessante Geschichte zu erzählen. Square Enix nutzt  allerdings alle nicht einen der vielen guten Ansätze. So schleust einen das Spiel von Mission zu Mission, ohne wirklich einen Spannungsbogen oder gar interessante Charaktere aufzubauen. Auch „unerwartete Wendungen“ sieht man schon viel zu früh voraus. Hinzu kommt, dass die Charakterzeichnung total misslungen ist. Garrett akzeptiert sein Schicksal viel zu schnell, hinterfragt nie die kursierende Krankheit. Auch seine Gegenspieler sind so sehr auf böse getrimmt, dass man sie kaum ernstnehmen kann.  Dass dann die Zwischensequenzen, in denen die Story erzählt wird, selbst auf der alten Konsolen-Generation nicht gerade schön anzusehen wären,  hilft dann auch nicht weiter.

Ich finde es echt schade, dass Square Enix an dieser Stelle jeglichen Potential verschenkt, da Thief in anderen Aspekten so vieles richtig macht. Vor allem die Atmosphäre, die das Spiel durch seine Welt aufbaut ist fantastisch. Vor allem ein überraschend, schauriges Irrenanstalt-Level sticht hier deutlich hervor. Die in der Stadt verteilten Passanten und Wachen führen meistens interessante und teils amüsante Gespräche, denen man lauschen kann. Auch die viktorianische Stadt, die mich stark an das alte London erinnert hat, mit den deutlichen Steampunk-Einflüssen sieht fantastisch aus. Schade ist nur, dass diese Stadt durch viele offensichtliche und teils versteckte Ladezeiten in sehr kleine Areale aufgeteilt wird. Das reist einen immer wieder aus dem Geschehen und nervt auf Dauer. Next-Gen sieht anders aus.

Zum Glück sind aber die Spielmechaniken größtenteils echt gelungen. Das Schleichen und Stehlen fühlt sich natürlich an. Garrett tastet alles mit seinen Händen ab, egal ob er ein Gemälde untersucht oder sich an eine Wand drückt. Dadurch vermittelt Thief den Spieler ein fantastisches Körpergefühl. Auch die Parkour und Klettereinlagen gehen flüssig von der Hand. Schade ist nur, dass Garrett nur an vorgegebenen Stellen klettern kann. Selbiges gilt für die vielen Hilfsmittel, wie Wasser-, Seil- oder Feuerpfeile. Es ist schade, dass man als Spieler so an festgelegte Punkte gebunden wird und die Stadt nicht freier erkunden kann. Auch beim Diebesgut ist Thief ein zweischneidiges Schwert. Einerseits gibt es interessante und schön modellierte Sammlerstücke, Briefe und geheime Unterlagen mit interessanten Texten zu finden, auf der anderen Seite klaut dieser Meisterdieb viel zu viel Ramsch. Warum klaue ich stundenlang Brieföffner und Silberbesteck, wenn ich doch seltenen Goldschmuck und alte Artefakte stehlen kann? Die Nahkämpfe spielen sich auch nicht wirklich spannend. Da aber in einem Thief eh auf die direkte Konfrontation verzichtet werden sollte, ist das kein großer Kritikunkt.

Technisch kann Thief durchaus überzeugen. Die Welt sieht fantastisch aus, Bewegungen und Animationen sind flüssig. Auch unscharfe Texturen oder Framerate-Einbrüche konnte ich nicht feststellen. Vor allem die Beleuchtung und Flammen sind sehr gut gelungen. Leider sind vor allem Gesichtsanimationen nicht mehr zeitgemäß. Wie schon erwähnt, sind die Zwischensequenzen aufgrund viel zu steifer Animationen teilweise grauenhaft anzusehen. Lippensynchron vertont sind sie auch selten. Dabei machen die Sprecher aber einen überwiegend guten Job. Der Soundtrack kann jedoch auf jeden Fall wieder überzeugen.


Was bleibt abschließend zu Thief zu sagen? Der Test liest sich wahrscheinlich desaströser als das Spiel wirklich ist. Denn gerade aufgrund der äußerst dichten und packenden Atmosphäre, den gelungen Spielmechaniken und Spielgefühl und den durchaus potenten Story-Ansätzen ist es einfach schade, dass dieses Thief teils grobe Fehler aufweist und viel Potential verschenkt. Hatte ich Spaß beim Spielen? Auf jeden Fall! Schleichspiel-Fans kann ich Thief, auch aufgrund fehlender Konkurrenzprodukte, auf jeden Fall empfehlen.

Natürlich gibt es auch zu diesem Testbericht ein Video:



Pro:
- dichte, düstere Atmosphäre
- sehr gutes Körpergefühl
- einwandfrei funktionierende Schleichmechaniken
- motivierende Diebstähle
- gute Vertonung

Kontra:
- Potential der Story wird nicht genutzt
- teils grausige Zwischensequenzen
- viel Ramsch als Diebesgut
- viele Ladezeiten und zerstückelte Spielwelt

Wertung: 6,5/10

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