Für dieses Review muss ich nun
mit einer mir selbstauferlegten Regel brechen. Denn Testberichte wollte ich
immer nur dann veröffentlichen, wenn ich ein Spiel mindestens einmal durchgespielt
habe. Bei Red Dead Redemption 2 habe ich das Gefühl, dass das noch ziemlich
lange dauern könnte. Und trotzdem möchte ich euch mitteilen, warum es in erster
Linie so lange dauert und warum ich der Meinung bin, dass Red Dead Redemption 2
bei weitem nicht das beste Spiel des Jahres ist. Viel Spaß!
Die großen Stärken
Fangen wir aber positiv an. Was
hat mir an RDR2 außerordentlich gut gefallen? Da wären vor allem einzelne
Charaktere und die allumfassende Geschichte zu erwähnen. Euer Protagonist
Arthur, Gang-Anführer Dutch oder auch Sadie Adler sind Videospielfiguren wie
sie sein sollten. Sie haben eine Persönlichkeit, entwickelt sich im Verlauf der
Geschichte sinnvoll weiter und sind insgesamt extrem interessante Figuren. Auch
das übergreifende Thema vom Anstieg der Zivilisation in den westlichen USA und
allen damit verbundenen Problem (z.B.: Rassismus oder Kapitalismus) ist in
meinen Augen perfekt eingefangen. In den Momenten, in denen RDR2 seine
Charaktere mit politischen und zivilen Problemen konfrontiert, ist das Spiel am
stärksten.
Und dann gibt es natürlich noch
diese wunderschöne, große Spielwelt. Neben all ihren Problemen, die ich bald
aufzählen werde, ist es vor allem die Technik, die über viele Schwächen
hinwegtäuschen kann. Durch tolle Lichtstimmungen und dichte Vegetationen
schafft man eine Spielwiese, in der man sich einfach gerne bewegen will.
1 Wunderschöne, statische Spielwelt
Spätestens wenn man aber
mitbekommt, dass die Spielwelt auf den Spieler selbst gar nicht reagiert, ist
die Illusion aber dahin. Was genau meine ich damit? Bei einer frühen Mission
wurde mir das Problem bewusst. Dabei löscht man die gesamte Bevölkerung einer
kleinen Siedlung aus, bekommt auch ein entsprechendes Kopfgeld und sollte sich
lieber nicht in der Nähe blicken lassen. Es sei denn, ihr geht zur nächsten
Poststation, bezahlt das Kopfgeld und siehe da, es interessiert nun niemanden
mehr, dass ihr dort vor wenigen Minuten noch gewütet habt. Das hat mich extrem
aus der Spielwelt herausgerissen.
Und das ist nur ein Beispiel. So
gibt es eine extreme Diskrepanz zwischen den Story-Missionen und der Spielwelt.
Beide Aspekte existieren einfach nur nebenher, aber funktionieren nie als Einheit.
Es ist einfach völlig egal, was ihr in dieser Welt anstellt. Da verändert sich
gar nichts. Die Spielwelt von Red Dead Redemption 2 ist mir viel zu statisch.
2 Lineares Missions-Design
Die zweite Stelle, an der man
merkt, dass die offene Welt nicht zu den grundlegenden Gameplay-Mechaniken
passt, ist das Missions-Design. Ihr müsst einfach nur den Markern folgen, immer
und immer wieder ein paar Typen über den Haufen schießen und zu einem anderen
Marker weiterreiten und so weiter und so fort. Und wagt es ja nicht auch nur
ein bisschen zu weit vom vorgegeben Weg abzuweichen, weil dann ist die Mission
sofort fehlgeschlagen!
Was soll das? Entweder baue ich
eine riesige Welt, in der ich mich angeblich frei umherbewegen kann oder ich
gebe enge Korridore vor, die ich auf gar keinen Fall verlassen darf. Es hätte
dem Spiel so gut getan, auch einfach mal alternative Lösungswege zu suchen. So
kommt es immer wieder zu Raubzügen, die furchtbar schieflaufen, bei denen ich
mich immer wieder gefragt habe: „Warum stellt ihr euch so dämlich an?“ Dass man
hier nicht die Freiheit gegeben hat, es einfach besser zu machen, hat mich
wieder rausgerissen.
Ich verstehe, dass Rockstar wohl
nur so die Story voll im Griff haben kann. Aber wozu dann die riesige offene
Welt drum herum? Wäre RDR2 in einem anderen Rahmen, ich denke hier an ein Spiel
à la Uncharted 4, vielleicht besser gewesen?
3 Kaputtes Finanzsystem und Lücken in der Story
Mein dritter Kritikpunkt richtet
sich an Thema, dass auch im Kern der Story steht, Geld. Ihr versucht das ganze
Spiel genug Geld zu ergaunern, um der Bande irgendwo ein sorgenfreies Leben zu
ermöglichen. Okay! Blöd ist nur, dass ihr nach einer sehr frühen Mission extrem
viel Geld gesammelt habt, euch alles ohne Probleme kaufen könnt, ihr laut Story
aber immer noch dem großen Geld hinterherrennt. Was hat Dutch mit der ganzen
Kohle angestellt?
Zu der Storylücke kommt hinzu,
dass ihr durch den frühen Geldsegen einen Großteil der Spielmechaniken nicht
nutzt. Ich habe in der offenen Welt nicht eine einzige Kutsche oder Zug
überfallen. Warum auch? Ich wusste doch eh nicht mehr, was ich mit dem ganzen
Geld anfangen soll. Das Camp war komplett aufgerüstet, schöne Klamotten und ein
schnelles Pferd gekauft. Für was brauche ich jetzt also noch Geld?
4 Survival oder kein Survival
Das nächste Thema, bei dem Rockstar
wohl selbst nicht wusste, was sie machen wollten, sind die ganzen
Survival-Mechaniken. Arthur muss regelmäßig Essen, Schlafen und sogar seine
Waffen reinigen. Tut er das nicht, so verliert er Ausdauer, Lebensenergie und
die Waffen richten weniger Schaden an. So jedenfalls die Theorie. Am Ende
spielt das aber keine Rolle! Ich habe erst durch einen Kumpel erfahren, dass
mein Arthur wohl unterernährt ist. Meine Waffen habe ich so gut wie nie gereinigt und trotzdem habe ich reihenweise
Gegner über den Haufen geschossen.
Entweder man baut Survival
Systeme in sein Spiel ein oder eben nicht! Wenn sie nur da sind, um gewillten
Spielern mehr Tiefe zu bitten, dann gebt uns doch wenigstens die Option zu
wählen, ob wir so spielen wollen oder nicht. Aber baut doch keine Systeme, die
am Ende sowieso keine Rolle spielen! Versteht mich nicht falsch, ich mochte den
realistischen Survival-Ansatz. Ich mochte nur nicht die Art und Weise, wie sich
„all die Mühe“ am Ende auswirkt.
5 Auto-Aim, Kill, Auto-Aim, Kill, ….
Ja und zum Schluss kommen wir zur
zentralen Spielmechanik, dem Gunplay. Vor allem in den späteren Kapiteln des
Spiels (Schlagwort Guarma) seit ihr fast nur noch mit Feuergefechten
beschäftigt. Und spätestens dann merkt man, dass das Gunplay völlig
anspruchslos ist. Ihr geht und Deckung, (oder besser gesagt, ihr hofft das
Arthur nach dem Tastendruck auch wirklich in Deckung geht) drückt den
Zielen-Knopf, drückt ab und wiederholt das einfach so lange, bis alle Gegner
tot sind.
Ich bin nicht ein einziges Mal in
einem der Feuergefechte ums Leben gekommen. Die paar Male, die Arthur ins
virtuelle Gras gebissen hat, lagen daran, dass ich die Grenzen der Mission
überschritten habe oder ich in der offenen Welt etwas Unsinn getrieben habe.
Ansonsten mangelt es RDR2 an jeglichem spielerischen Anspruch. Feuergefechte nerven
am Ende nur noch, weil man sich fragt: „Man wie viele soll ich denn nun noch
wegpusten?!“ Ohne eine echte Gefahr fehlt dem Ganzen einfach das gewisse Etwas.
Fazit
Nach all dem Gemecker will nun
aber doch noch positiv enden. Red Dead Redemption 2 ist ein gutes Spiel. Aber
mit diesen 5 Punkten wollte ich euch nur zeigen, warum es für mich eben kein
Spiel des Jahres oder gar der Konsolengeneration ist. Eine wunderschöne, große
Spielwelt, tolle Charaktere und eine gut erzählte Story alleine reichen dafür
einfach nicht. Es gibt zu große Diskrepanzen zwischen dem was in der Spielwelt
und der Story anstellen könnt. Es gibt zu viele Systeme, die gut gedacht, aber
nicht gut DURCHdacht sind. Und das grundlegende Gameplay fordert mich als
Spieler einfach nicht genug. Wenn ich Red Dead Redemption 2 spiele, habe ich
immer Spaß! Aber ich möchte Red Dead Redemption 2 einfach viel zu selten
spielen. Die Hauptgründe dafür kennt ihr nun.
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