Death Stranding: anders, verrückt, FANTASTISCH!


Bei Death Stranding war ich skeptisch. Das Settings fand ich schon immer extrem interessant. Postapokalypse geht einfach immer und wenn dann die wirren Ideen eines Hideo Kojimas hinzukommen, kann das nur interessant werden. Auf der anderen Seite war das Postboten-Gameplay der Trailer nie wirklich spannend. Jetzt habe ich gut 50 Stunden Spielzeit hinter mir und kann heute meine Zweifel nicht mehr nachvollziehen. Aber lest euch doch den Test durch!

Vermischte Welten

Aus unerklärlichen Gründen kam es zu einer Kollision der Welt der Toten und der Lebenden. Wo auch immer diese beiden Welten aufeinander treffen, kommt es zu einer großen Explosion, so genannten Leerestürzen, die bereits große Teile der Zivilisation ausgelöscht haben. Regen lässt alles, das er berührt, besonders schnell altern und Menschen trauen sich so nicht mehr ins Freie.

In dieser Welt des Gestrandeten Todes schlüpft ihr die Haut von Sam Porter Bridges, einem Boten. Boten sind Menschen, die sich trotz der gefährlichen Umwelt weiterhin ins Freie trauen und die wenigen verbliebenen Siedlungen mit dringend benötigten Gütern versorgen. Außerdem ist Sam ein Wiederkehrer. Er kann nicht sterben, sondern erwacht immer umgeben von totaler Verwüstung wieder.

So wird Sam von der Präsidentin der USA zu einer wichtigen Aufgabe verdammt. Er soll die Städte wiedervereinen und so eine neue Nation erschaffen, die UCA, die United Cities of America. Und so begebt ihr euch auf eine lange Reise von Ost nach West, liefert unzählige Pakte, verbindet Städte mit einem all übergreifenden Netzwerk und kommt gleichzeitig den Geheimnissen dieser neuen Welt auf die Schliche.

Im richtigen Maß verwirrend

Die Ausgangslage ist so schön abgefahren, dass ich von Anfang an gefesselt war. Bei all den verrückten Ideen und Konzepten, die die Story aufgreift, finde ich es umso erstaunlicher, dass das Meiste davon am Ende sogar Sinn macht.

Nur eine Sache hat mich immer wieder rausgerissen, die USA. Die Spielwelt sieht nicht nach Amerika aus und auch abseits einiger patriotischer Reden, spielen die USA absolut gar keine Rolle. Warum man unbedingt die USA als Schauplatz wählen musste, ist mir ein Rätsel. Das hat in meinen Augen einfach gar nicht gepasst.

Doch abgesehen vom angeblichen Standort hat mir die Erzählung richtig gut gefallen. Hideo Kojima fährt hier ganz große Metaphern auf, kritisiert dabei aktuelle Entwicklungen, appelliert immer wieder an den Zusammenhalt der Menschen und bringt dabei immer wieder berührende Einzelschicksale unter.

Zwar dauet es eine Weile bis die Geschichte so richtig in Fahrt kommt und es kommt auch hin und wieder zu längeren Passagen in denen nicht viel Nennenswertes passiert, aber alleine der Story wegen ist Death Stranding einen Blick wert.

Und gerade in Zeiten von Corona ist die Geschichte eines Postboten, der isolierte Menschen mit Gütern versorgt und sie wieder miteinander verbindet, zeitgemäßer als jemals zuvor.

Pakte, Kisten und noch mehr Pakte

Soweit so gut, aber wie sieht es denn auf der Gameplay-Seite aus? Nüchtern betrachtet, nicht sehr spannend. Denn gut 80 bis 90 Prozent des Gameplay bestehen tatsächlich aus simplen Hol- und Bring-Aufgaben.

An den einzelnen Knotenpunkten holt ihr euch Aufträge ab, erhaltet eure Ware und müsst diese an einem anderen Knotenpunkt abliefern. Dabei gilt es vor allem natürliche Hindernisse wie Berge, Schluchten und Flüsse zu überqueren. Und ich kann bis heute nicht genau sagen warum, aber mir hat dieses Kerngameplay verdammt viel Spaß gemacht. Dieses einfache Mensch-gegen-Natur und das Planen der perfekten Lieferroute motiviert einfach. Dazu ist jede NPC Interaktion positiv. Ihr liefert etwas ab und werdet danach nur so mit Danksagungen und Lob überschüttet. Dass die offizielle Währung im Spiel Likes sind, passt ins Bild.

Mit den gesammelten Likes verbessert ihr automatisch die Eigenschaften eures Boten, könnt dadurch mehr tragen und ihr steigert die Beliebtheit bei den einzelnen Knotenpunkte, die sich nach und nach mit neuer Ausrüstung erkenntlich zeigen. Was in Death Stranding richtig gut funktioniert, ist das Gefühl Fortschritte zu machen. Stolpert ihr am Anfang über jeden Kieselstein und könnt kaum Gewicht mitführen, helfen euch später Exoskelette und sogar Fahrzeuge beim Transport größerer Mengen. Routen, die vorher richtig anstrengend waren, erledigt ihr nach einigen Spielstunden mit  Links. Bei mir hat dieses Fortschrittssystem wirklich gefruchtet.

Mit fortschreitendem Spielverlauf kommen auch Kämpfe hinzu. Da wären zum einen die MULES, ehemalige Boten, die nun süchtig jeder Lieferung hinterherrennen und euch eure Ware stehlen wollen. Auf der anderen Seite ist da noch der Gestrandete Tod. Geisterförmige Wesen, die euch und eurer Ware, wenn sie euch denn erwischen, großen Schaden zufügen können. Je länger ihr spiel, umso mehr Waffen werden euch in die Hand gegeben, um gegen solche Gefahren vorzugehen. Wirklich Spaß gemacht haben mir die Kämpfe aber nicht. Dafür waren sie ehrlich gesagt viel zu einfach. Selbst groß angesetzte Bosskämpfe sind nicht wirklich fordernd und damit geht einiges an Spannung verloren. Dazu kommt das eine gewisse „Bola-Gun“, die ihr recht früh erhaltet, gegen menschliche Gegner schon so stark ist, dass ihr die anderen Waffen eigentlich gar nicht mehr braucht. Also für spannende und gar taktische Gefechte solltet ihr Death Stranding nicht kaufen.

Eine neue Welt erschaffen

Einen großen Anteil an Death Strandings Faszination hat auch der asynchrone Multiplayer. Habt ihr eine neue Region in die UCA integriert, tauchen auf einmal Konstruktionen und Hinweisschilder anderer Spieler auf. Über zuvor unpassierbare Passagen ragt nun zum Beispiel eine Brücke und Schilder warnen euch vor lauernden Gefahren.

Moment, Konstruktionen? Ihr könnt eigene Bauten in Death Stranding erschaffen. Das reicht von Briefkästen über Stromgeneratoren bis hin zu ganzen Straßennetzen. Größere Projekte wie Straßen erfordern sogar die Hilfe von anderen Spielern, da hier besonders viele Ressourcen gebraucht werden.

Und so entsteht nach und nach wieder eine Infrastruktur. Ich habe einige Spielstunden damit verbracht Materialien zu Straßenbaugeräten zu bringen oder Brücken zu bauen. Warum? Einfach weil mir das Spaß gemacht hat und weil es für jede Interaktion mit euren Konstruktionen Likes gibt. Und mit Likes verbessert ihr wie bereits erwähnt euren Charakter. Eine Win-Win-Situation sozusagen. Ihr baut eine Infrastruktur, die euch und anderen hilft und werdet so ganz nebenbei auch noch stärker. Selten ist mir ein positiverer Multiplayer begegnet und ich kann das System hier gar nicht hoch genug loben.

Wunderschöne Landschaften

Ich sage zwar immer wieder, dass mir die Grafik in die Spielen gar nicht sooo wichtig ist. In Death Stranding wird die Landschaft aber elementarer Bestandteil des Gameplays und umso mehr fällt die technische Umsetzung ins Gewicht.

Zum Glück liefert Death Stranding hier auf ganzer Linie ab. Das Spiel sieht einfach nur wunderschön aus! Dass das nur nicht als USA zu erkennen ist, habe ich ja bereits erwähnt. Viel mehr erinnern die zerklüfteten Landschaften an Island. Da ich diese wunderschöne Insel gerade erst besuchen durfte, fallen die Ähnlichkeiten in Death Stranding noch mehr auf. Wo das nun sein soll, ist ehrlich gesagt aber auch egal, wenn es so wunderschön aussieht!

Die technische Exzellenz endet aber nicht bei der Umgebung. Charaktermodelle sehen ebenso fantastisch aus, sind glaubwürdig animiert und in aufwendigen Zwischensequenzen fantastisch in Szene gesetzt. Auch die Synchronsprecher machen durchgehen einen großartigen Job.

Meinen Lobeshymnen gehen beim Soundtrack weiter. Der ist nicht nur einzigartig mit seinen überwiegenden Gesangstiteln, sondern auch seltsamerweise immer passend zur aktuellen Handlung. Die Bandbreite reicht von verträumt über traurig bis hin zu merkwürdig fröhlich und der Soundtrack gehört tatsächlich zum Besten der letzten Jahre!

Abschließend ist noch zu erwähnen, dass Death Stranding nicht ein einziges Mal abgestürzt ist. Auch Bugs sind mir keine im Gedächtnis geblieben. Für diese saubere Leistung verdienen die Entwickler einen Sonderpunkt!

An dieser Stelle gibt es auch wieder ein Video für euch!

Fazit

Ja, Death Stranding ist merkwürdig. Aber in meinen Augen nur im positiven Sinne. Ich kann im Grunde nur ein paar Pacing-Probleme oder die höchsten durchschnittlichen Kämpfe kritisieren. Aber darum geht es in Death Stranding auch gar nicht. Death Stranding erzählt ein spannende, abgefahrene und trotzdem extrem persönliche Geschichte, die kaum zeitgemäßer sein könnte und vor sozialkritischen Metaphern nur so strotzt. Technisch ist das Spiel sowieso über jeden Zweifel erhaben. Selbst nach dem Ende der gut 40 Stunden langen Story streife ich immer noch durch das Ödland, liefere Pakte aus und erhöhe die Verbindungen zu den einzelnen Knotenpunkten. Ich war anfangs echt skeptisch und wurde eines Besseren belehrt. Death Stranding ist ganz große Videospielkunst, die jeder einmal zumindest ausprobiert habe sollte!

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