Returnal: Ein Grund für die PS5


Die PS5 ist eine fantastische Konsole. Kurze Ladezeiten, super Performance und eine Softwareoberfläche, die beim Spielen nie im Weg ist. Mir persönlich fehlen allerdings die System Seller. Viele der „großen“ Exklusivtitel sprechen mich einfach nicht so sehr an. Aber es gibt da dieses eine Spiel. Ein Spiel, das in puncto Gameplay, Grafik, haptisches Feedback und Setting so überzeugen kann, dass sich allein dafür der Kauf der PS5 schon gelohnt hat. Dass dieses Spiel ausgerechnet von einem Entwickler stammt, der bisher "nur" für 2D-Bullet-Hell-Shooter bekannt war, ist umso beeindruckender. Natürlich rede ich von Returnal. Bis jetzt der beste Exklusivtitel auf Sonys Konsole.

Bruchlandung in der Endlosschleife

Unsere Protagonistin Selene stürzt mit ihrem Raumschiff Helios auf dem fiktiven Planeten Atropos ab. Vom Wrack ausgehend startet ihr eure Erkundung, stoßt bald auf die feindliche Fauna und dürft erste Gefechte überleben. Doch es wird nicht lange dauern und schon steht Selene einem übermächtigen Gegner gegenüber und stirbt. Wobei sterben auf Atropos nur bedeutet, dass der Zyklus von vorne beginnt. Selene erwacht immer wieder beim Wrack der Helios und darf sich erneut in den Kampf stürzen.

Dabei erzählt Returnal auf vielen Ebenen mehrere Geschichten gleichzeitig. Natürlich geht es oberflächlich um Selenes Flucht von Atropos. Wie kann sie die Zeitschleife durchbrechen? Daneben erfahrt ihr viel über die Geschichte von Atropos. Von wem stammen die Ruinen? Was führte zum Untergang der Erbauer und was hat es mit diesem Planeten auf sich? Und da wäre ja auch noch Selenes Haus, das seltsamerweise auf dem Planeten auftaucht und das nach bestimmten Errungenschaften im Spiel in der Ego-Perspektive erkundet werden kann. Diese Passagen erzählen euch mehr über die Heldin und werfen ganz neue Fragen auf. Ist dieser Planet real? Warum ist Selene hier gefangen?

Returnal baut mit diesen Elementen unglaublich starke Mysterien auf. Nur klare Antworten dürft ihr auf keinen Fall erwarten. Wenn Selene kryptische Audio-Logs von einer früheren Version von sich selbst findet oder ihr mal wieder durch das Treppenhaus schleicht, dann kann das richtig verwirrend werden. Bestimmte grundlegende Storypunkte sind mir durchaus klar, aber ich würde nach vielen, vielen Stunden Spielzeit nicht behaupten, dass ich alles verstanden habe. Das kann durchaus abschrecken. Mich faszinieren diese Lücken und sie verstärken das fremdartige Gefühl, das Returnal erzeugen will.

Voll im Fluss

Wobei ich die Geschichte sowieso nur als schmückendes Beiwerk bezeichnen möchte. Das echte Meisterstück liegt beim Gameplay.

Returnal reiht sich in die stetig wachsende Liste von Roque Likes ein, die vor allem in den letzten Jahren einen echten Boom erleben. Was Returnal allerdings auszeichnet sind die Perspektive und das Production Value. Während sich andere Vertreter des Genres auf 2D Arenen konzentrieren und eher kleine Budgets aufweisen, haben Housemarque mit der Third Person Perspektive einen anderen Ansatz gewählt und in puncto Präsentation einfach komplett übertrieben (aber dazu später mehr).

Im Kern ist Returnal ein Third-Person-Bullet-Hell-Shooter. Dass heißt, dass ihr in gewohnter Manier durch 3D Arenen rennt, springt oder schwingt und dabei allerhand Alien-Gesocks ins Visier nehmt. Allerdings schießen die mit zahlreichen und überwiegend bunten Kugeln zurück, wodurch der Bildschirm sehr schnell einer völlig übertriebenen Feuerwerksshow gleichkommt. Wichtiger als gut zu zielen ist damit euer Movement und Aufmerksamkeit. Wo sind eure Gegner? Wo tut sich zwischen den Kugeln eine Lücke auf, in die ich ausweichen kann? Und nebenbei müsst ihr natürlich weiter selbst austeilen. Das kann durchaus überwältigen, aber schon nach kurzer Zeit kommt man in einen Flow, der seinesgleichen sucht. Beinahe in Trance weicht ihr Kugeln aus, führt waghalsige Manöver aus und erahnt fast schon instinktiv wohin ihr euch bewegen müsst. In genau diesem Zustand erzeugt Returnal ein unvergleichbares Spielgefühl.

Returnal zwingt euch auch in diesen Flow, indem es erstens knallhart ist und zweitens gutes Spielen stetig belohnt. Selene verträgt nur wenige Treffer. Gegner und deren Angriffe werden schnell immer wilder. Auf der anderen Seite baut ihr mit jedem Kill ohne Schaden zu nehmen Adrenalin auf, dass euch in fünf Stufen Boni gewährt. Heil-Items vergrößern bei voller Gesundheit den Lebensbalken. Es ist alles darauf ausgelegt möglichst ohne Schaden die Kämpfe zu überstehen. Damit zwingt euch Returnal in diesen wachen und beinahe schon meditativen Zustand, den ich schon zur Genüge gelobt habe.

Risk and Reward

Das Fortschrittssystem ist dann wieder ganz klassisch Roque Like. Ihr startet immer mit eurer einfachen Pistole und müsst während des Versuchs neue Waffen und temporäre Upgrades finden. Die Auswahl der Waffen ist nicht die größte, dafür aber sehr variabel und mit den zahlreichen freischaltbaren Zusatzfunktionen lädt es immer wieder zum Experimentieren ein. Auch wenn ich schnell meinen Favoriten gefunden habe.

Hier führt Returnal auch das erste Risk-and-Reward Prinzip ein. Nehmt ihr eine bekannte Waffe oder lieber eine neue, mit einer unbekannten Funktion, die potenziell stärker ist oder aber euren Flow zerstört? Insgesamt stellt euch Returnal immer wieder vor solche Entscheidungen. Parasiten gewähren euch zum Beispiel immer einen Vor- UND einen Nachteil. Zum Beispiel, eine Eliminierung weniger, um den Adrenalinpegel zu erhöhen, aber dafür hinterlassen Gegner Säurepfützen beim Ableben. Ihr könnt infizierte Gegenstände aufheben, dabei aber eine Fehlfunktion riskieren, die zum Beispiel die Minikarte stört. Nehmt ihr ein paar Abzweigungen mit mehr Gegnern, um bessere Gegenstände zu finden oder nehmt ihr lieber den schnellen Weg zum Boss? Dieses Abwägen von Möglichkeiten bringt das genau richtige Maß Taktik in jeden Versuch.

Selene selbst wird während des Spiels nicht stärker. Nur wenige Kerngegenstände und freigeschaltete Waffenupgrades bleiben erhalten. Ihr startet aber immer gleich schwach. Wie stark ihr werdet hängt dann nur noch von euren Fähigkeiten und vom Zufallsgenerator ab. Das kann natürlich frustrieren, aber hier wird ganz klar deutlich, Returnal will euch nicht durch langes Spielen übermächtig werden lassen, weil ihr einfach nur immer besseres Equipment anhäuft. Das Spiel will gemeistert werden. Ihr als Spieler werdet immer besser und nicht eure Spielfigur. Mir persönlich hat das richtig gut gefallen.

Tentakel-Monster und Ruinen

Abgerundet wird das fantastische Gameplay durch eine ebenso beeindruckende Präsentation. Returnal präsentiert sich in butterweichen 60 Bildern pro Sekunde und kann dabei mit einer Effektgewalt aufwarten, die beinahe schon überwältigen kann. Wenn hunderte bunte Lichtkugeln den Bildschirm füllen, Monster mit ihren zappelnden Tentakeln wild über den Bildschirm springen und das alles in bildhübschen HDR und Raytraycing dargestellt wird, kommt man einfach ins Staunen. Es kann zwar zu seltenen Framerate-Einbrüchen kommen und mir ist das Spiel auch schon abgestürzt, aber das passiert so selten, dass das in meinen Augen noch im Rahmen liegt.

Noch besser als die sowieso schon beeindruckende Grafik ist das Sounddesign gelungen. Returnal spielt man am besten mit richtig guten Kopfhörern oder einem Surround-System. Die dadurch erschaffene Immersion ist immens. Gegner geben eindeutige, wiedererkennbare Laute von sich. Oftmals können Gegner nur anhand ihrer Geräusche geortet werden. Ich kann euch gar nicht sie sagen wie oft ich nur dank meiner Ohren im richtigen Moment ausgewichen bin oder mich umgedreht habe. Die räumliche Wahrnehmung, die dieses Sounddesign erzeugt, ist fantastisch. Ebenso loben möchte ich die Performance der Schauspielerinnen bei der englischen UND deutschen Sprachausgabe. Returnal klingt einfach großartig.

Abschließend zum Thema Präsentation möchte ich das grundlegende Design hervorheben. Immer wieder kommen hier Lovecraft-Vibes auf und wer mich kennt, wird schon wissen, wie sehr mir das gefällt. Angefangen bei den skurrilen, mit Tentakeln übersäten Monstern bis hin zu den alten und teils riesigen Ruinen und seltsamen Mechanismen, Atropos und seine Bewohner sehen so schön fremdartig, gefährlich und gleichzeitig faszinierend aus, dass diese Welt einfach zum Erkunden einlädt. Ich kann den Designern nur ein großes Lob aussprechen.

Fazit

Ein überaus positives Fazit sollte nach all den Lobpreisungen nun wirklich nicht mehr Überraschen. Returnal hat auf allen Ebenen meinen Geschmack getroffen. Knallhartes, aber dennoch faires Gameplay, das gemeistert werden will. Eine zugegeben wirre Story, die es dennoch immer wieder schafft, ein spannendes Mysterium aufzubauen und mich bei der Stange gehalten hat. Das alles eingepackt in eine faszinierend gestaltete Spielwelt, die dazu auch noch wunderschön präsentiert wird. Und dann fühlt sich das mit dem Dualsense Controller auch noch großartig an. Besser wird es in meinen Augen auf der PS5 aktuell noch nicht. Returnal hat zwar eine deutlich engere Zielgruppe als zum Beispiel ein Horizon Forbidden West. Aber sollte euch das Spiel ansprechen, dann erwartet euch mit Returnal nicht weniger als ein Meisterwerk.

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