Da seht man mal wieder wie
wichtig auch heute noch gute Kritiken und überschwängliche Mundpropaganda sind.
Clair Obscur – Expedition 33 war mir bis vor wenigen Wochen noch gänzlich unbekannt.
Auf einmal ploppten überall überaus positive Kritiken aus dem scheinbaren Nichts.
Alle riefen von den Dächern, Clair Obscur sei jetzt schon das Spiel des Jahres
und schlicht und ergreifend ein Meisterwerk. Diesem Hype konnte ich mich nicht
entziehen. Und machen wir es kurz, sie haben alle Recht!
Drohende Auslöschung
Schon mit der Geschichte schaffen
Sandfall Interactive eine fantastische Grundlage für Clair Obscur. Angefangen
mit einem einfachen, aber sehr greifbaren Grundkonflikt entfaltet sich hier
eine Geschichte, die immer wieder mit Überraschungen und tiefgründigen Fragen
überzeugen kann. In einer Welt, in der eine übermächtige Malerin mit wenigen
Pinselstrichen große Teile der Bevölkerung auslöschen kann, macht sich eine
kleine Gruppe auf den Weg, ihr scheinbar unausweichliches Schicksal zu
verändern. Schon mit dem Prolog, der sofort klarstellt mit welch emotionaler
Wucht hier erzählt wird, war ich in der Erzählung gefangen. Und spätestens mit
dem ersten großen Twist wurde aus einer sehr guten Geschichte, ein erzählerisches
Meisterwerk, was bis zum Ende mit jeder hinzukommenden Schicht immer nur besser
wird.
Besonders gefallen hat mir, wie konsequent diese Spielwelt durcherzählt wird. Alle Fragen, die man als Spieler so hat, werden auch im Spiel aufgegriffen. Wie funktioniert eine Welt, in der die Bevölkerung immer jünger wird? Wie wirkt sich das auf die Bewohner aus? Selbst später, wenn es wirklich abgefahren wird, ergibt alles noch Sinn. Und wir reden hier von farbenfrohen Unterwasserwelten, schwimmenden und fliegenden Plüschtieren, etwas blöden Pinselköpfen oder turmhohen Tänzerinnen. Und trotzdem bleibt es glaubhaft.
Ebenso glaubhaft sind die
Charaktere. So natürlich geschriebene und nachvollziehbar agierende
Protagonisten habe ich lange nicht in Spielen erlebt. Alle haben ihre ganz
eigenen Gründe sich dieser Expedition anzuschließen und entwickeln sich im
Laufe der Geschichte glaubhaft weiter. Dialoge sind fantastisch inszeniert und
geschrieben. Da dürfen Personen auch mal übereinander reden oder sich verhaspeln.
Es ist schlicht und ergreifend sehr nahbar und alle Figuren sind mir recht
schnell ans Herz gewachsen.
Das macht den einen oder anderen Tiefschlag umso härter. Denn Clair Obscur scheut sich nicht vor schwierigen Themen und geht dabei an recht dunkle Orte. Damit das nicht zu belastend wird, schaffen sie es beinahe beiläufig immer wieder humoristische und leichtherzige Momente einzustreuen. Dieser Kontrast funktioniert wunderbar und trägt durch die ganze Handlung.
Also nochmal zusammengefasst, Clair
Obscur – Expedition 33 ist ein erzählerisches Meisterwerk!
Actionreiche Taktik und Entdeckungsdrang
Auf der Gameplay-Seite wurde ich nicht minder positiv überrascht. Denn um ehrlich zu sein war ich nie ein großer Fan von rundenbasierten Kämpfen oder klassischen JRPGs. Die werden mir zu oft zu träge und verlassen sich mit der Zeit zu sehr auf Zahlenspielereien und zu wenig auf grundlegende Spielmechaniken. Sandfall Interactive haben mit wenigen Mitteln diese Schwächen komplett ins Positive gedreht.Während das Kampfsystem zwar grundlegend rundenbasiert ist, müsst ihr mit euren Spielfiguren aktiv parieren, ausweichen oder Angriffe mit Quick Time Events verstärken. Zwar meint das Spiel, dass diese Mechaniken auf dem normalen Schwierigkeitsgrad optional sind, aber das halt ich für eine dreiste Lüge. Gegner hauen schon sehr bald sehr stark zu und solltet ihr das Parieren und Ausweichen ignorieren, werdet ihr recht fix und Grund und Boden gestampft. Ihr müsst in den Kämpfen also permanent aufmerksam bleiben. Das erinnert schon fast an Soulslike-Kampfsysteme und trifft bei mir genau den richtigen Nerv. Man könnte auch meinen, dass das mit der Zeit seinen Reiz verliert, war bei mir aber nicht der Fall. Bis zum Ende war ich bei jedem Kampf voll dabei. Besonders die teils ausufernden Bosskämpfe sind dar ein echtes Highlight und treiben den Puls in die Höhe.
Neben dem Kämpfen steht das Erkunden
ganz groß auf dem Programm. Clair Obscur bietet eine klassische Oberwelt mit
Dungeons. Nach und nach schaltet ihr neue Fähigkeiten frei, um neue Gebiete zu
erreichen. In den Dungeons finden aufmerksame Spieler verstecke Abzweigungen,
die zu Sammelgegenständen oder besonders starken Gegnern und Geheimnissen führen.
Manche kritisieren das Fehlen einer Mini-Map. Im Rahmen der Story macht das
aber Sinn und es zwingt den Spieler mit offenen Augen durch die wunderschön
gestaltete Spielwelt zu gehen. Mir hat das außerordentlich gut gefallen.
Optimieren bis zum Bruch
Üblich für ein RPG werden natürlich auch eure Spielfiguren mit der Zeit immer stärker. So schaltet ihr neue Fähigkeiten frei, findet und verbessert eure Waffen und verteilt beim Levelaufstieg Attribute. So weit ist das alles ganz klassisch. Wobei ich hier schon loben möchte, dass jede einzelne Figur eigene Mechanismen einführt. Mit der einen muss man Elementarpunkte sammeln, eine andere braucht perfekte Angriffsketten und so weiter. Jede einzelne Spielfigur zu verstehen und entsprechend zu optimieren, war für mich schon sehr motivierend.Darüber hinaus bringt Clair Obscur aber noch Pictos und Luminas ins Spiel. Jede Figur kann bis zu drei Pictos ausrüsten, mit den man zum einen Attribute verstärkt und eine passive Eigenschaft hinzufügt. Nach vier Kämpfen werden angelegte Pictos erlernt und können dann von allen Figuren als Luminas ausgerüstet werden. Luminas kosten unterschiedlich viele Punkte und solange der Charakter genug Punkte hat, können so weitere passive Fähigkeiten zusammengestellt werden.
Diese Systeme von Pictos, Luminas
und kraftvollen Synergien verschiedener Fähigkeiten erlauben es extrem mächtige
Kombinationen zu erstellen. Das geht sogar so weit, dass man das Spiel beinahe
kaputt machen kann. Eure Spielfiguren können mit diesen Systemen unglaublich
stark werden und Gegner irgendwann einfach nur so von der Leinwand wischen. Dass
das Spiel erlaubt die Systeme so auszunutzen, dass es die Schadenszahlen in
astronomische Höhen treibt und man als Spieler beinahe schon denkt, man hätte
das Spiel gebrochen, finde ich gut. Es belohnt investierte Spieler und erzeugt
ein echtes Machtgefühl. Und auch das ergibt im Rahmen der Erzählung durchaus
Sinn.
Ein echtes Kunstwerk
Abgerundet und noch weiter aufgewertet wird das Spiel durch seine grandiose audiovisuelle Präsentation.Rein technisch gesehen, merkt man zwar ab und zu, dass es sich hier nicht um einen AAA-Titel handelt, durch das Design wird dieser Fakt aber übertüncht. Die Spielwelt, Charaktermodelle oder Gegner sind künstlerisch faszinierend und einfach wunderschön gestaltet. Clair Obscur ist farbenfroh, abwechslungsreich und kreativ. Als Spieler wird man immer wieder mit beeindruckenden Panoramen belohnt.
Die eigentliche Meisterleistung
liegt aber beim Sound und der Musik. Fangen wir mit der außerordentlich guten
englischen Synchronisation an, die mit bekannten Namen (unter anderem Andy
Serkis) den großartig geschriebenen Dialogen Leben einhaucht. Soundeffekte in Kämpfen
klingen großartig und helfen tatsächlich beim Timing für das Parieren und Ausweichen.
Über allem steht aber der Soundtrack. Der fügt sich nicht nur perfekt ins
Gameplay ein, sondern ist auch für sich alleinstehend auch einfach fantastisch.
Viele Momente im Spiel werden durch die musikalische Untermalung auf ein anderes
Level gehoben. Besonders der eine oder andere Bosskampf hat sich gerade durch
die Musik in mein Gedächtnis eingebrannt und nachhaltig Eindruck hinterlassen. Beim
Einstieg in das letzte Level hatte ich Gänsehaut am ganzen Körper. So gut ist
hier die Inszenierung.
Runden wir meine Bewertung der technischen Umsetzung noch damit ab, dass mir in den ca. 33 Stunden Spielzeit (kein Scherz!) kein einziger Bug begegnet ist.
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