Ein Studio, das vor allem für einen Majoras Mask Fanfilm und weitere Animationsfilme
als Auftragsarbeit bekannt ist, versucht sich nun an einem Videospiel. In den
ersten Trailern wurde klar, dass das vor allem grafisch wunderschön aussieht.
Damit hatte Kena: Bridge of Spirits (ab hier noch Kena) schon einmal meine
Aufmerksamkeit. Aber kann das Spiel auch abseits der Grafik überzeugen? Oder
ist das mal wieder mehr Schein als Sein? Immerhin besteht ein Spiel aus weitaus
mehr als nur schönen Animationen.
Ungelöste Probleme
Die namensgebende Kena ist eine sogenannte Seelenführerin. Hat ein Verstorbener
ein noch ungelöstes Problem oder Trauma zu verarbeiten, ist an Kena dieses Problem
zu lösen und den Geistern so das Weiterziehen in das Jenseits zu ermöglichen. Wir
treffen die junge Protagonistin auf dem Weg zum sagenumwobenen Bergschrein.
Doch schon bald stößt sie auf ein mächtiges Hindernis, ein verlassenes Dorf und
die tragischen Schicksale der Bewohner. Die Umgebung ist von einer Art Fäulnis
befallen und nun ist es an Kena das Gebiet zu reinigen und den Weg zum Berg
wieder zu öffnen.
Ich war tatsächlich überrascht wie ernst, erwachsen und streckenweise
düster die Erzählung wird. Gerade wegen der ultra-knuffigen Präsentation hatte
ich so viel Tragik gar nicht erwartet. Leider bekommt unsere Heldin in der
Erzählung nur sehr wenig Raum. Erst gegen Ende werden persönliche Motive
aufgegriffen und ich hätte sehr gerne viel mehr über Kena erfahren. So
konzentriert sich das Spiel vollkommen auf die Schicksale im Dorf und das große
Mysterium, als Kena selbst in den Fokus zu rücken. Dadurch fiel es mir schwer
eine Bindung zur Spielfigur aufzubauen. Das ist aber auch der einzige
Kritikpunkt an einer Erzählung, die geschickt Verlust, Liebe, Angst und auch
Umweltthemen durchweg unterhaltsam präsentiert.
The Legend of Pikmin Souls
Spielerisch hat Kena bei mir wohlige Erinnerungen an Zelda geweckt. So wird
großer Fokus auf das Erkunden der Spielwelt gelegt, wobei immer wieder Kämpfe
und Rätsel eingestreut werden. Im Verlauf der Story erhaltet ihr kontinuierlich
neue Werkzeuge und könnt so Hindernisse überwinden, die vorher unpassierbar
waren. Dadurch hat Kena ein fantastisches Pacing. Immer wenn die Mechaniken und
Rätsel so langsam ihren Reiz verlieren, führt das Spiel ein neues Element ein.
Dabei wird kein einziges Element so überstrapaziert, das es langweilig wird.
Das ist hier richtig gut gelungen.
Das sieht man auch bei den Kämpfen. Anfangs dachte ich mir: „Oha, das soll in
den nächsten Stunden auch noch Spaß machen?“. Aber Kena schafft es neue Gegnertypen,
Waffen und Strategien im genau richtigen Tempo einzustreuen. Zugegeben, das Kampfsystem
könnte noch etwas Feinschliff vertragen. Im direkten Vergleich zu Souls-Spielen,
an denen man sich orientiert, fehlt hier die Geschmeidigkeit und Finesse. Schläge.
Blocks und Ausweichrollen wirken alle noch etwas steif und abgehakt. Aber
gerade der knackige Schwierigkeitsgrad der Kämpfe hat mich überrascht und dass
Kena euch genug Mittel zur Hand gibt, um die Kämpfe mit Skill zu überstehen, spricht
für das System.
Die besondere Spielmechanik von Kena wird aber von den kleinen Rot-Wesen,
die ihr im Verlauf der Story, aber auch durch das Erkunden der Spielwelt,
einsammelt, definiert. Mit ihrer Hilfe tragt ihr Hindernisse aus dem Weg,
beseitigt die Fäulnis oder führt besonders starke Angriffe aus. Je mehr Rot ihr
gesammelt habt, umso mehr Aktionen stehen euch zur Verfügung. Ich fühlte mich
daher immer motiviert, wirklich jeden Winkel der Spielwelt nach den kleinen
Helferlein zu durchsuchen.
Apropos Spielwelt durchsuchen. Überall sind kleinere Rätsel und Truhen
versteckt. Leider sind die Belohnungen recht durchwachsen. Während ich
bestimmte Geisterpost-Gegenstände wirklich interessant fand, weil dadurch optionale
Areale der Spielwelt geöffnet werden können, ist die auffindbare In-Game
Währung etwas überflüssig. Damit könnt ihr nur kosmetische Hüte für eure Rot
kaufen. Klar, das sieht niedlich aus und verbreitet Charme, aber darüber hinaus
sind die Kristalle nutzlos. Jede Truhe, aus der nur die blauen Klitzerdinger geflogen
kamen, war für mich immer eine kleine Enttäuschung. Dafür habe ich mich aber
umso mehr über Truhen gefreut, in denen gleich ein besonderer Hut versteckt
war. Für einen möglichen zweiten Teil wünsche ich mir einfach mehr
Einsatzmöglichkeiten für die Kristalle. Outfits für Kena, Waffenupgrades oder
komplett neue Ausrüstung vielleicht? Der optische Effekt beim Einsammeln der
Währung ist durchaus befriedigend. Es fehlt nur ein bisschen der Sinn.
Wunderschön und zuckersüß
Jetzt muss ich aber zur offensichtlichen Stärke des Spiels kommen, der audiovisuellen
Pracht. Kena begeistert ab der ersten Spielminute mit einer grafischen Pracht,
die einem Pixar-Film in nichts nachsteht. Lichteffekte, Animationen,
Detailgrad, das ist alles auf einem extremen Niveau. Ich habe mr erst kürzlich
einen OLED-TV gegönnt und Kena mich immer wieder zum Staunen gebracht. Das
Design der verschiedenen Figuren und vor allem der Spielwelt ist fantastisch.
Vor allem die Rot sind einfach zuckersüß, die Wälder und das Dorf idyllisch und
auch die Gegner fantasievoll gestaltet. Hinzukommen kurze Ladezeiten, eine butterweiche
Performance und absolut gar keine Bugs.
Abgerundet wird das technische Meisterwerkt durch die großartige
musikalische Untermalung. Von leisen und traurigen Tönen, bis hin zu epischen
Melodien in großen Kämpfen trifft Kena immer den richtigen Ton. Lediglich bei
der Synchronisation habe ich ab und zu etwas Emotion vermisst. Gerade unsere
Protagonistin Kena wirkte immer etwas zu distanziert. Neben diesen kleinen
Kritikpunkt ist Kena in punkto Präsentation ein beinahe bis zur Perfektion geschliffener
Diamant.
Fazit
Kena: Bride of Spirits ist ein fantastisches Erstlingswerk. Zum Glück
handelt es sich nicht um die typischen Grafikblender, der neben der großartigen
Optik nichts zu bieten hat. Ganz im Gegenteil! Das Pacing ist perfekt getroffen,
die Kämpfe überraschend fordernd und die erzählte Geschichte greift erwachsene
und interessante Themen auf. Ein wenig Feinschliff am Kampfsystem oder den
Einsatzmöglichkeiten der In-Game Währung ist noch nötig. Aber Ember Lab hat mit
Kena einen fantastischen Grundstein für zukünftige Werke geschaffen. Ich bin
gespannt auf zukünftige Spiele des Studios und hoffe das ich Kena in ein
weiteres Abenteuer begleiten darf.
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