Nier Automata: 2B or not 2B?


Nach all den Lobeshymnen und überschwänglichen Bewertungen musste ich mir dieses Nier Automata einfach selbst ansehen! Der Vorgänger hat auf der PS3 schon eine beinharte Fanbase aufbauen können, doch an mir selbst, sowie an vielen anderen Spielern ist das Action RPG damals völlig vorbeigegangen. Nachdem ich Automata nun durchgespielt habe, bin ich darüber echt traurig. Denn dieses Nier Automata hat mich völlig weggeblasen. Warum? Lest weiter!

Was bedeutet es ein Mensch zu sein?

Die Story von Nier Automata lässt sich ohne zu viel zu spoilern recht einfach zusammenfassen. Nach einem Alien-Angriff musste sich die Menschheit auf den Mond zurückziehen. Von dort senden sie nun speziell designte Androiden zurück auf die Erde, um gegen die von den Aliens gebauten Maschinen zu kämpfen und die Erde zurück zu gewinnen. Ihr spiel als Androidin 2B, die zu Beginn des Spiels ausgesandt wird, um einen besonders dicken Roboter-Brocken zu beseitigen. Doch die Mission verläuft nicht ganz wie geplant und schnell entfaltet sich eine viel größere Geschichte.

Und hier höre ich auf inhaltlich über die Story zu erzählen, denn die ist schon eine der größten Stärken von Nier Automata. So einfach der Krieg zwischen Androiden und Maschinen eingeführt wird, umso komplexer baut sich das Ganze auf. Nier Automata schreckt auch vor tiefgründigen, philosophischen Fragen nicht zurück.  Was bedeutet es eigentlich ein Mensch zu sein? Kann eine Maschine tatsächlich mehr sein als nur die Summe von Drähten und Schrauben?

Um all diese Fragen spinnt sich zudem das Mysterium um die Reste der Menschheit, den Verbleib der Aliens und das Auftauchen seltsamer Kontrahenten. Gewürzt wird die Geschichte dann noch mit den großartigen Interaktionen der beiden Androiden 2B und 9S, die obwohl sie eigentlich keine Gefühle zeigen dürfen, für richtig emotionale Momente sorgen.

Der Abspann, der keiner ist

Zudem wird die Geschichte von Nier Automata extrem interessant erzählt. Wenn der Abspann nach ca. 15 Stunden zum ersten Mal über den Bildschirm läuft, habt ihr nur einen Bruchteil des Spiels gesehen. Im New Game Plus, wenn man es denn so nennen möchte, übernehmt ihr plötzlich die Rolle von 9S. So könnt ihr die Story nochmal aus einer anderen Perspektive erleben und bekommt neue Informationen, die bestimmte Ereignisse plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Auch eure bisherige Protagonistin 2B wird durch den Perspektivwechsel greifbarer und vielschichtiger. Da hat es mich auch überhaupt nicht gestört, die gleichen Ereignisse nochmal zu erleben.

Und dann kommt zu zweiten Mal ein Abspann. Was danach passiert… Ja, das war der Zeitpunkt, der dieses Nier Automata für mich einzigartig gemacht hat. Die ersten beiden Playthroughs waren gut, sehr gut sogar, aber dieser dritte Akt hebt das Spiel in ganz eigene Sphären. Während andere Serien Zusatzinhalte hinter DLC-Paketen und Season Passes verstecken, hat man hier das Gefühl einen zweiten Teil gleich mit dazu zu bekommen. Aber jetzt verrat ich gar nichts mehr.


Suchtfaktor Gameplay

Die Story ist also sehr gut und die Art und Weise, wie sie erzählt wird einfach genial. Was nützt aber die beste Erzählung, wenn das eigentliche Spiel keinen Spaß macht? Zum Glück stehen die Entwickler von Platinum Games hinter der Action und die zeigen hier gekonnt, warum Sie zum Besten gehören, was das Hack’n’Slay Genre so zu bieten hat.

Die zahlreiche Kämpfe spielen sich flott, sind wunderbar choreografiert, einfach zu erlernen, aber schwer zu meistern. Leichte und schwere Angriffe, Fernangriffe und Ausweichmanöver wollen fließend aneinandergereiht werden. Durch das intelligente Mischen verschiedener Gegnertypen muss zudem immer wieder die Strategie leicht angepasst werden. Ich konnte von der Action jedenfalls nie genug bekommen. Selbst nach über 30 Stunden Spielzeit stürze ich mich immer noch voller Vorfreude in den nächsten Kampf.

Das ist auch dem Phänomen zu verdanken, dass Platinum Games von Moment zu Moment einfach mal das Genre wechseln. Plötzlich sitzt ihr in einem Kampfanzug und ballert Gegner in bester Twin Stick Shooter Manier vom Himmel. Dann folgen 2D Sidescroller-Einlagen, um nur kurz darauf in einer Top Down Ansicht Gegner zu zerhacken. Das Beste daran ist, das diese Wechsel nie gezwungen wirken, sondern sich immer passend in den Spielfluss einfügen.

So wird das Gameplay nie langweilig oder vorhersehbar. In meinen Augen ist das eine echte Meisterleistung.

RPG Light

Nier Automata ist der erste Versucht von Platinum Games ein Open World RPG umzusetzen. Und dafür ist das Ihnen ganz gut gelungen. Die offene Welt von Nier Automata ist zwar nicht besonders groß, aber dafür hübsch anzusehen und sie kommt ohne nervige oder leere Passagen aus. In Lagern könnt ihr Ausrüstung kaufen, euch ausruhen, Quests annehmen und so weiter.

Das einzige, was mich persönlich überhaupt nicht überzeugen konnte war das Questsystem. Zu viele davon bestehen aus den typischen Sammel- oder töte XY-Aufgaben. Zwar findet sich auch hier die ein oder andere interessante Aufgabe, aber auch durch die teils sehr langen Laufwege ist die Mehrzahl der Zusatzaufgaben eher uninteressant.

In Kämpfen und durch das Erfüllen durch Quests erhaltet ihr Erfahrungspunkte, die eure Charakterwerte leicht erhöhen. Ein Skill-System im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Ihr könnt euren Androiden aber mit verschiedenen Chip-Sätzen ausstatten. Und mit diesen Chips könnt ihr euren Charakter erstaunlich vielseitig anpassen. Mehr Schaden, mehr Leben, mehr Schutz, erhöhte Bewegungsgeschwindigkeit, besseres Hacking, usw. Da jeder Chip einen bestimmten Platz benötigt, ist alleine das Austüfteln der für euren Spielstil besten Kombination gar nicht so einfach. Wenn ihr wollt könnt ihr sogar einzelne HUD-Elemente, wie den Lebensbalken, gegen andere Elemente und austauschen. Das Charaktersystem wird dadurch erstaunlich komplex, was mir richtig gut gefällt.


Schöne, kaputte Welt

Auch auf der technischen Seite weiß Nier Automata einfach zu überzeugen. Die verlassen Erde sieht als Kulisse großartig aus. Man könnte den Übermaß an grau, braun und grünen Farbtönen bemängeln, aber das resultierende Gesamtbild ist einfach verdammt stimmig. Dazu erschaffen Platinum Games die ein oder andere wunderschöne Kulisse.

Neben der Welt sind auch die Charaktermodelle wirklich gelungen. Die japanischen Wurzeln sind beim Design von 2B und Co nicht zu verleugnen, aber mich persönlich hat das gar nicht gestört. Wenn man einen Großteil des Spiels einen weiblichen Charakter spielt, dann darf der ruhig so aussehen, wie er hier nun mal aussieht (Kleiner Tipp… Nutzt mit 2B einfach die Selbstzerstörungsfunktion… Gern geschehen…). Das geniale hieran ist aber wieder einmal, das diese 2B nicht nur für den Fanservice so aussieht, sondern das Ganze später auch erzählerisch aufgegriffen wird.

Natürlich ist die ganze Optik Geschmackssache, aber meinen Geschmack treffen sie. Vor allem die Maschinenwesen sehen so verdammt knuffig aus, dass ich sie eigentlich gar nicht bekämpfen wollte! Und ja, auch das ist Absicht!

Auch der Sound ist Geschmackssache. Kampfsounds und die Vertonung gehen voll in Ordnung, aber vor allem der Soundtrack wird ja immer hochgelobt. Die Art und Weise wie Nier Automata die Musik an das Geschehen anpasst, ist wirklich großartig. Das muss zugeben. Dass es der beste Soundtrack aller Zeiten ist, wie viele andere behaupten, kann ich persönlich aber nicht bestätigen. Er ist gut, aber so bombastisch finde ich ihn dann auch wieder nicht.

Was natürlich keine Geschmackssache ist, ist die technisch einwandfreie Umsetzung des Ganzen. Ich habe ich ganzen Spielverlauf nicht einen Absturz oder groben Schnitzer erlebt. In den Kämpfen blieb die Framerate in einem angenehmen Bereich. Da habe ich gar nichts auszusetzen.

Alles Gold, was glänzt?

Nier Automata wird von vielen Seiten als Meisterwerk ohne Mängel betitelt. Die Meinung kann ich aber auch nicht ganz teilen.

Meine Kritik zum Questsystem habe ich schon geäußert. Dazu gesellt sich eine in meinen Augen unbrauchbare Kartenansicht. Das Spiel erklärt zwar die schlechte Darstellung, man ist sich die Makel also durchaus bewusst. Aber warum macht man es dann nicht gleich besser?

Auch wird immer gesagt, dass man den Vorgänger nicht kennen muss, um alles zu verstehen. Das stimmt zwar für einfache Story-Aspekte, aber viele kleine Ereignisse und vor allem der dritte Akt werfen dann so ein paar Fragen auf, die man ohne Vorwissen nur schwer beantworten kann. Warum dann auch wichtige Punkte wieder in auffindbare Texte ausgelagert werden, kann ich nur schwer nachvollziehen? Vor allem, weil die restliche Inszenierung so verdammt gut gelungen ist.

Das sind aber wirklich nur kleine Mängel in einem ansonsten großartigem Spiel.

Hier könnt ihr euch den Test wie immer als Video ansehen:


Fazit


Ich könnte stundenlang über Nier Automata sprechen. Wenn ich mir dieses Skript hier aber so ansehe, merke ich, dass ich den Rahmen mal wieder ein klein wenig überspannt habe und dabei habe ich über so viele kleine Dinge, die das Spiel so besonders machen gar nicht gesprochen. Vor allem die Art und Weise wie sich Nier Automata erzählt und das wunderbar funktionierende und abwechslungsreiche Gameplay machen aus Nier Automata ein Spiel, das dieses Jahr ganz oben mitspielt. Es ist nicht ganz das perfekte Spiel, wie andere behaupten, aber eines, das ihr auf jeden Fall spielen solltet!

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