Sucker Punch liefert mit Ghost of Tsushima wohl den letzten großen Hit der auslaufenden Konsolen-Generation. Und wie sollte es auch anders sein, es ist natürlich ein Open World Actionspiel mit Rollenspiel-Elementen. Allerdings wurde hier mit dem feudalen Japan ein sehr unverbrauchtes Settings gewählt, wodurch der Ansatz schon wieder recht frisch wirkt. Dazu nimmt Sucker Punch bekannte Open World Elemente, setzt sie aber beinahe in Perfektion um. Ghost of Tsushima wird dadurch zu einem der besten Spiele der PS4. Mehr erfahrt ihr im Test!
Gegen den Kodex
Ghost of Tsushima basiert lose auf der historischen Invasion der Mongolen im 13. Jahrhundert auf der gleichnamigen japanischen Insel. Ihr schlüpft in die Haut von Jin Sakai, einem jungen Samurai-Krieger, der sich den Invasoren stellt. Doch die brutale Art der Kriegsführung der Mongolen überrascht die Samurai und so werden sie sehr schnell vernichtend geschlagen. Jin kommt knapp mit dem Leben davon und versucht im Verlauf der ca. 30 bis 40 Stunden langen Kampagne seine Insel wieder zurück zu erobern. Doch um sein Ziel zu erreichen, muss er vom Pfad und dem Kodex der Samurai abweichen und zu „ehrenlosen“ Methoden übergehen. Er wird langsam zum „Geist von Tsushima“.
Die Geschichte ist zugegeben recht einfach und entwickelt auch keine echte Komplexität. In meinen Augen muss sie das aber auch gar nicht. Mir reicht der innere Konflikt unseres Samurai vollkommen aus, um die Story interessant zu gestalten Wir erleben wie Jin gezwungen wird „ehrenlose“ Methoden, wie das Angreifen aus dem Hinterhalt, zurückzugreifen und so in Konflikte mit den eigenen Überzeugungen und seinen Verbündeten gerät.
Aber vergessen wir die großen und kleinen Nebengeschichten nicht. Ghost of Tsushima erzählt insgesamt eine sehr düstere und ernste Geschichte. Und so erleben wir im großen und kleinen Ausmaß wie die Bevölkerung von Tsushima unter der Besatzung und dem Krieg leidet. Nahrungsmangel, Verrat, Sklaverei, aber auch komplizierte Vater-Tochter-Beziehungen oder auch Homosexualität sind Themen die das Spiel aufgreift.
Eine Handvoll Nebencharaktere bekommen sogar mehrteilige Nebenquest, die nach und nach Motive und Hintergründe aufdecken. Diese charaktergetriebenen Nebengeschichten gehören zu den ganz großen Stärken von Ghost of Tsushima. Auch wenn einige Wendungen sehr abrupt passieren und etwas mehr Zeit manchmal gar nicht schlecht gewesen wäre, so muss ich sagen, dass mir die Charaktere und deren Geschichten sehr gut gefallen haben.
Fassen wir den Punkt Story also kurz zusammen. Die Ausgangslage ist einfach, die Handlung nie wirklich komplex, aber die Charaktere und deren Entwicklungen sind wirklich sehr interessant. Ein wenig mehr Feingefühl hätte dem Spiel durchaus gut getan, aber insgesamt konnte mich die Erzählung wirklich überzeugen.
Schleichen, Parieren und Meucheln
Kommen wir aber zu dem Aspekt, der mich am meisten überzeugen konnte, dem Gameplay. Ghost of Tsushima spielt sich einfach fantastisch! Egal ob ihr nun schleichend und meuchelnd vorgeht oder euch „ehrenhaft“ den Gegner im offenen Kampf stellt. Alle Systeme greifen nahtlos ineinander und erzeugen einen Spielfluss, der mich zu keinem Zeitpunkt gelangweilt hat.
Natürlich darf auch hier niemand revolutionäres Gameplay erwartet. Alles hat man irgendwo schon einmal in der einen oder anderen Form gesehen. Aber das Wechseln verschiedener Kampfhaltungen um mit den unterschiedlichen Gegnertypen umzugehen oder die Nutzung zusätzlicher Gadgets wie zum Beispiel Rauchbomben sorgen für sehr viel Abwechslung. Besonders zu loben ist aber, dass vor allem eure Gegner auch immer cleverer werden und ihr euren Spielstil auch so immer wieder verfeinern müsst. Ghost of Tsushima ist auf gar keinen Fall ein schwieriges Spiel, aber man schafft es immer wieder dem Spieler neue Vorgehensweisen anzubieten und zu fordern. Gerade die knackigen Duelle zeigen sehr gut wie ausgereift die Nahkampfsysteme sind.
Die Schleichmechaniken, inklusive Verstecken im hohen Gras, sind dabei auch nichts Besonderes, aber m Rahmen der Open World funktionieren sie einwandfrei. Gleiches kann ich über das Skill System und die RPG Elemente sagen. Das Verbessern, Freischalten und Aufwerten eurer Ausrüstung ist nicht wirklich komplex, aber es motiviert zum Erkunden der Spielwelt.
Nur ein paar restriktive Missionen hätte es in meinen Augen absolut nicht gebraucht. Immer wenn das Spiel euch einen Spielstil aufzwingt und Freiheiten entfernt, fällen Schwächen deutlicher auf. Und warum man heute immer noch auf die Assassins Creed „Folge unbemerkt der Person“-Mission setzt, weiß ich nicht. Langsam im hohen Gras vorwärts zu laufen ist wieder spannend, noch interessant. Diese Art Mission sollte einfach aussterben!
Eine Mechanik muss ich aber noch positiv hervorheben, die Standoffs! So könnt ihr Gegner offen herausfordern und im Grunde beginnt dann ein Quick Time Event. Denn sobald der Gegner auf euch losgeht, lasst ihr eine Taste los und besiegt den Gegner damit sofort. Das sieht nicht nur immer wieder unglaublich cool aus, sondern wird im Verlauf des Spiels dank Finten eurer Gegner und kleiner werdenden Reaktionsfenstern immer fordernder. Es fühlt sich einfach verdammt gut an diese Standoffs perfekt umzusetzen.
Zusammengefasst, neben einigen wenigen Schwächen ist das Gameplay von Ghost of Tsushima einfach extrem spaßig, abwechslungsreich und immer wieder motivierend.
Wunderschönes Japan
Das i-Tüpfelchen ist aber ganz klar die Präsentation der offenen Spielwelt. Tsushima sieht einfach wunderschön aus!
Diese Spielwelt ist farbenfroh, sie ist unglaublich atmosphärisch, sie wirkt auf mich authentisch und sie lädt zum Erforschen ein. Schaut man auf die Details, merkt man zwar das Charaktermodelle, Gesichtsanimationen und die Grafik an sich nicht auf Niveau eines The Last Of Us Part II sind. Aber geht man einen Schritt zurück und betrachtet das Gesamtbild, dann ist Ghost of Tsushima für mich das womöglich schönste Spiel dieser Konsolen-Generation. Immer wieder bin ich einfach stehengeblieben und habe die märchenhafte Szenerie auf mich wirken lassen.
Dazu kommt wie intuitiv das Spiel Systeme in die Spielwelt integriert. So leitet euch der Wind zu nächsten Ziel oder Tiere führen euch zu versteckten Gebieten. Kein nerviges Interface mit unzähligen Symbolen zerstört die Immersion. Fantastisch!
Ebenso fantastisch ist die musikalische Untermalung gelungen. Auch die deutsche Synchronisation ist mir größtenteils positiv aufgefallen.
Einzig den Kurosawa Modus, der das Spiel in einen schwarz-weiß-Filter taucht und Töne etwas dumpfer darstellt, erschließt sich mir nicht ganz. Ja, es ist eine Homage an den japanischen Filmemacher, aber so ein schönes, farbenfrohes Spiel sollte man nicht hinter diesem Filter verstecken! Daher habe ich ihn auch nie genutzt.
Ganz großes Lob geht auch an die technische Umsetzung. Mir sind keine Framerate-Verluste oder gröbere Bugs aufgefallen. Richtig beeindruckend sind aber die Ladezeiten. Gerade bei der grafischen Pracht ist es echt eine Meisterleistung wie schnell das Spiel lädt. Auch verdient der Begriff „Schnellreise“ hier endlich seinen Namen. Das ist hier echt beeindruckend!
Dazu kommt, dass Ghost of Tsushima komplett ohne Ingame Store oder Season Pass auskommt. Sogar ein KOSTENLOSER Stand-Alone Multiplayer Modus wurde schon angekündigt. Bravo Sucker Punch!
Fazit
Ghost of Tsushima ist für mich der perfekte Abschluss der PS4-Ära. Denn was sonst als ein beinahe perfekt umgesetztes Open World Actionspiel mit RPG Elementen könnte den Zenit dieser Konsolen-Generation darstellen? Ghost of Tsushima ist als Gesamterlebnis tatsächlich mehr als die Summe der einzelnen Komponenten. Nichts ist hier neu oder gar revolutionär. Aber alles wird so gut zusammengesetzt und präsentiert, dass am Ende etwas Großartiges entsteht. Sucker Punch kann hier richtig stolz sein. Und auch wenn ich es bestimmt nicht nochmal sagen muss, es gibt natürlich eine ganz klare Kaufempfehlung!
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